Neun von derzeit 80 Berufskrankheiten können laut Gesetz nur anerkannt werden, wenn die Betroffenen so schwer erkrankt sind, dass sie die Tätigkeiten aufgeben müssen, die "für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Konkret bedeutet das häufig: Für eine Anerkennung müssten die Betroffenen ihren Beruf und damit ihren Arbeitsplatz aufgeben.
Auf diese neun Berufskrankheiten beziehen sich rund 50 Prozent aller Verdachtsanzeigen. Gemeinsam ist diesen Krankheiten, dass Symptome und Auslöser zeitlich eng verknüpft sind. Das heißt: Entfällt die schädigende Einwirkung, kommt es häufig zu einer Verbesserung.
Hierzu ein Beispiel: Eine Pflegekraft leidet an einer schweren Wirbelsäulenerkrankung aufgrund Hebens und Tragens von Patientinnen und Patienten. Dank der angebotenen Präventionsmaßnahmen kann sie ihre Tätigkeit weiter ausüben. Nach geltender Rechtslage kann ihre Erkrankung derzeit allerdings nicht als Berufskrankheit anerkannt werden, denn dafür müsste sie ihre Tätigkeit aufgeben (Unterlassungszwang). Die Berufsaufgabe wäre jedoch sowohl für die Versicherte als auch ihren Arbeitgeber keine gute Lösung. Daher sollte diese Anerkennungshürde fallen.
Damit die Abschaffung des Unterlassungszwangs positive Wirkung entfalten kann, müssen folgende Maßnahmen flankierend umgesetzt werden:
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Versicherte sollen über mögliche Präventionsmaßnahmen aufgeklärt und gesetzlich verpflichtet werden, bei der Anwendung dieser Präventionsmaßnahmen mitzuwirken. Ähnliche Regelungen gelten zum Beispiel heute schon für die Teilnahme an Rehabilitationsmaßnahmen.
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Gleichzeitig wäre es die Aufgabe des Verordnungsgebers, für die einzelnen Berufskrankheiten genauer zu beschreiben, welche Anforderungen er an die Anerkennung stellt - insbesondere den jeweils für eine Anerkennung als Berufskrankheit erforderlichen Schweregrad der Erkrankung.