Multimodale prospektive Detektion und Definition von Biomarkern zur Prognoseverbesserung bei Critical-Illness-Polyneuromyopathie (CRIT-PATH)

Projekt-Nr. FF-FR 0285

Status:

abgeschlossen 08/2020

Zielsetzung:

Critical-Illness-Polyneuromyopathie (CINM) oder erworbene Muskelschwäche (ICUAW) ist eine häufige Folge der modernen Intensivtherapie (ITS), die die Prognose während und im Verlauf beeinträchtigt. CINM kann sich als Muskelschwäche oder neuropathieähnliche Symptome manifestieren. Bisher wurde hauptsächlich der kurzfristige Krankheitsverlauf untersucht und die Diagnosestellung bleibt eine Herausforderung. Ziel der aktuellen Studie war es, die Langzeitinzidenz der CINM, die Charakterisierung und Persistenz einhergehender Symptome sowie den Einfluss auf die Lebensqualität (LQ) und verschiedene klinische und neurophysiologische Pathologien von Langzeitüberlebenden bis zu einem Jahrzehnt nach Intensivtherapie im Vergleich zu Kontrollen zu untersuchen.

Aktivitäten/Methoden:

Nach Ethikvotum und Registrierung wurden alle Testpersonen (n = 3 647), die 2007–2017 auf einer Intensivstation im Berufsgenossenschaftlichen(BG)-Universitätsklinikum aufgenommen wurden, gescreent. Von 1 860 wurden 1 268 Überlebende kontaktiert. Nach Einverständnis der betroffenen Personen wurden 149 Befragungen zu Demografie, Krankengeschichte, Komorbiditäten sowie Auftreten, Lokalisation, Beginn, Dauer und Folgen vorgenommen. CINM wurde definiert als mindestens ein proximal-symmetrisches Symptom für Muskelschwäche und/oder distal symmetrisches Symptom für Parästhesie, Hypästhesie oder (neuropathische) Schmerzen, ohne pozentiell-assoziierte zeitgleiche andere Erkrankung und erstmals nach ITS aufgetreten. Darüber hinaus wurden 28 dieser (rekrutiert während des Telefoninterviews) und 19 Kontrollprobanden (medial rekrutiert; Ausschluss: jegliche Intensivtherapie, Komorbidität, die Polyneuropathie oder Myopathie verursacht) untersucht. Sie wurden zu ihrer LQ (VAS, 0-100) befragt und einer neurologischen Untersuchung sowie einem multimodalen Assessment für CINM-assoziierte funktionelle und morphologische Veränderungen mittels Elektroneurographie (ENG), Elektromyographie (EMG), Quantitativer Sensorischer Testung (DFNS-Protokoll), Hautbiopsie und konfokaler Hornhautmikroskopie (CCM) unterzogen.

Ergebnisse:

149 ehemals teilnehmende betroffene Personen (Alter: 63,5±13,1a; 73 % männlich; Zeit nach ITS: 4,4±2,7a, 5-10a: 43 %) wurden interviewt. Es ergab sich ein Durchschnitt von (59,5±13,4a bei ITS-Aufnahme) 20,8±15,7d auf der ITS mit 396±328,8h Beatmung. Eine CINM-Inzidenz von 74 % (n = 95/128, myopathieähnliche Muskelschwäche: 43 %; neuropathieähnliche Symptome: 13 %; beide: 44 %). Nur 18 % erhielten eine CINM-Diagnose, obwohl 62 % bis zehn Jahre nach ITS anhaltende Symptome hatten (5-10a: 46 %). Nur 37 % der teilnehmenden Personen berichteten über einen vollständigen Rückgang der Symptome, die mit einer initial geringen Anzahl an Symptomen (p<0,0001), nur myopathieähnlichen Symptomen (p = 0,024) und einem jüngeren Alter zum Zeitpunkt der ITS-Aufnahme verbunden waren (55,7±13,1 vs. 62,6±10,6a, p<0.001). Die LQ war durch die CINM zum Zeitpunkt des Interviews bei 74 % der Betroffenen noch immer beeinträchtigt, bei 30 % sogar schwer. Zum Untersuchungszeitpunkt berichteten hiervon 28 Personen (Alter: 60,5±14,9a, männlich: 82 %, Zeit nach ITS: 3,75±3,35a; Aufenthalt auf ITS: 24,5±20,3d, Beatmungsdauer: 371,7±354,6h) über anhaltende Schmerzen in 21 %, Parästhesie in 50 %, Hypästhesie in 43 % und Muskelschwäche in 39 %. Pathologisch waren am häufigsten die klinische Untersuchung (82 % von 27) und die Hautbiopsien (89 % von 26), während CCM (32 % von 25) die geringste Empfindlichkeit zur Detektion pathologischer Werte aufwies. In ENG und EMG zeigte nur die Hälfte CINM-assoziierte Pathologien (ENG: 52 % von 27; EMG: 52 % von 21). Ein sensorisches Defizit wurde bei 17 % festgestellt. Nur eine Person zeigte keinerlei Anzeichen einer CINM. 13 (48 %) hatten eine sensomotorische Large-Fibre-Neuropathie, zehn (37 %) eine sensomotorisch gemischte Polyneuropathie der großen und kleinen Nervenfasern und nur drei (11 %) eine reine Small-Fibre-Neuropathie. Im Gegensatz dazu zeigten Kontrollen (Alter: 54,1±13,7a, 79 % männlich) keine Pathologien. Ehemalige Intensivpatienten berichten über Jahre eine geringere Kraft der Hände (rechts: 31,2±12,1 vs. 42,3±11,5kg; p = 0,003) und eine niedrigere LQ als die Kontrollen (68,8±21,8 vs. 86,3±6,7 VAS; p = 0,002).

Die Kombination aus Symptomen, klinischer Untersuchung und neurophysiologischer Diagnostik kann als Biomarker zur Früherkennung der CINM dienen. Als leicht und einzusetzende Kurz- und Langzeitmarker scheinen sich dabei vor allem die Symptomanamnese und Kraftmessung der Hände herauszukristallisieren.

Stand:

05.05.2023

Projekt

Gefördert durch:
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
Projektdurchführung:
  • Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil gGmbH Bochum
Branche(n):

-branchenübergreifend-

Gefährdungsart(en):

-Verschiedenes-

Schlagworte:

Rehabilitation

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Biomarker, Prognoseverbesserung, Skelettmuskelschwäche, Polyneuromyopathie