Susanne Reich-Emden, hat langjährige Berufserfahrung als Medizinische Fachangestellte. Sie arbeitet in einer Praxis für Allgemeinmedizin in Bremen. Frau Reich-Emden, in den Medien ist immer wieder zu hören oder zu lesen, dass Beschäftigte in Kliniken und Praxen angeschrien, beleidigt, beschimpft oder sogar angegriffen werden. Was haben Sie schon mit wütenden Patienten oder Patientinnen erleben müssen?
Einleitend muss ich sagen, dass meine Erfahrung mit verbal entgleisten oder aggressiven Patienten in der Praxis, in der ich zurzeit arbeite, zum Glück sehr selten bis gar nicht vorkommen Trotzdem ist mir das in Praxen, wo ich vorher tätig war, sehr häufig passiert und durch Kontakte mit Kolleginnen/Kollegen wurde ich auch über „Vorfälle“ der Kolleginnen/Kollegen informiert.
Natürlich darf man nicht verallgemeinern, die meisten Patienten sind wertschätzend und dankbar für unsere Arbeit, leider reicht die Anzahl derer, die „überziehen“ aus, um die Arbeit zu erschweren. Ich habe festgestellt, dass einige Patienten immer fordernder werden. Die Kommunikation wird von einigen sehr aggressiv geführt und gerade bei Versagung von Wünschen (weil es nicht geht) kommt es zu Beschimpfungen.
Haben Sie diese Erlebnisse verändert? Wie gehen Sie damit um?
Ja, ich habe immer öfter Angst um unseren Berufsstand. Ich versuche durch Teambesprechungen Situationen aufzuarbeiten, für das Team einheitliche Vorgehensweisen abzusprechen, sowie viele Kolleginnen über Fortbildungsveranstaltungen wie "Deeskalierende Gesprächsführung", "Umgangsübungen mit schwierigen Patienten" etc. zu sensibilisieren und zu schulen.
Sind aus Ihrer Sicht tatsächlich mehr Patienten als früher ungehalten, ungeduldig, unfreundlich oder gab es diese Gruppe schon immer?
Bestimmte Personengruppen waren schon immer fordernd und aggressiv, leider steigt die Anzahl selbst bei Patienten, die sonst "normal" im Umgang waren, an.
Was denken Sie, sind eher Ursachen? Eine Verrohung der Gesellschaft und des Umgangs miteinander oder fühlen sich die Menschen in Not und hinter der Aggression steckt Angst, z.B. weil keine kurzfristigen Termine oder Untersuchungen verfügbar sind oder Medikamente vergriffen?
Gründe dafür sehe ich einmal in der Verrohung als gesellschaftliches Problem, zunehmende Unsicherheit im Leben (psychosoziale Probleme), Angst nicht "zu seinem Recht" zu kommen. Ein Mitgrund ist sicherlich auch die abnehmende Zahl der Hausarztpraxen und damit auch die längere Wartezeit auf Termine/Behandlung.
Was hilft Ihnen mit schwierigen Situationen umzugehen?
Ein gutes Team aus Ärzten und MFA´s, Gespräche im Team, Festlegung von klaren Abläufen bei eskalierten Situationen, sofortige Hilfe/Unterstützung von Team-Playern.
Was wünschen Sie sich, um sich in Ihrem Beruf sicher zu fühlen?
Eine Wertschätzung des Berufes, bessere Darstellung und Anerkennung unseres Berufes.