"Unsere Mitarbeitenden haben die Sicherheitsmaßnahmen mitgestaltet"

Schwimmbäder sind Orte, an denen sich viele Menschen mit unterschiedlichen Erwartungen, Bedürfnissen und kulturellem Hintergrund begegnen – und es deshalb auch zu Gewalt kommen kann. Die Bremer Bäder GmbH hat deshalb Maßnahmen zur Gewaltprävention für ihre Freibäder erarbeitet und setzt diese erfolgreich um. Im Interview erläutert Pressesprecherin Susanne Klose das Konzept.

Frau Klose, die Bremer Bäder unterhalten für die Stadt Bremen insgesamt zwölf Hallen- und Freibäder sowie eine Eislaufhalle. Insbesondere manche Freibäder werden an heißen Sommertagen von tausenden Badegästen besucht. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus?

Der Personalbedarf steigt. Wir brauchen Fachangestellte für Bäderbetriebe, Rettungsschwimmerinnen und Rettungsschwimmer, Kassenkräfte, Reinigungskräfte und viele helfende Hände, die uns dabei unterstützen, das Bad zu betreiben. Und wir benötigen Personal, das für die Sicherheit im Bad sorgt.

Was sind kritische Situationen für Mitarbeitende und Besuchende?

Sobald Menschen aufeinandertreffen, ist es möglich, dass Konflikte entstehen. Besonders an heißen und gut besuchten Tagen sind viele Menschen ungeduldig, weil sie in der Schlange warten müssen oder ihnen nicht gefällt, wie sich andere Gäste benehmen. Häufig sind die Konflikte niedrigschwellig und unsere Mitarbeitenden darauf geschult, bereits im Vorfeld dafür zu sorgen, dass Kleinigkeiten nicht eskalieren. Wirklich kritische Situationen sind die absolute Ausnahme: In dieser Saison gab es bisher nur einen Übergriff vor unserem Südbad im Frühjahr.

Die Bremer Bäder haben für die aktuelle Freibadsaison ein Konzept zur Gewaltprävention aufgestellt. Gab es dafür einen konkreten Anlass? Und wie sieht dieses inhaltlich aus?

Im vorvergangenen Jahr ist vor unserer Eislaufhalle eine Situation eskaliert. Damals gab es Freikarten für unter 18-Jährige und der Andrang war an dem Tag so groß, dass wir vormittags früher geschlossen haben als geplant. Danach blieben einige Jugendliche noch einige Zeit vor der Halle. Es gab Pöbeleien und eine insgesamt problematische Situation. Deshalb haben wir uns überlegt, wie wir am besten damit umgehen können, um zukünftig nicht nur unsere Gäste, sondern auch die Angestellten schützen zu können. In der Folge haben wir zum Beispiel begonnen, die Anzahl unserer Gäste präventiv zu begrenzen. Insgesamt haben wir schon seit längerer Zeit ein Konzept zur Gewaltprävention. In erster Linie besteht dieses aus Deeskalation. Hier werden unsere Mitarbeitenden darauf geschult, Situationen schnell einzuschätzen und so zu handeln, dass Konflikte nicht größer werden und bereits im Vorfeld gelöst werden können.

Das Ziel ist also, dass es gar nicht erst zu Gewalt kommt?

Ja, das versuchen wir präventiv zu erreichen. Sollte es aber zum Beispiel unter den Badegästen doch zu Übergriffen kommen, die unser Personal nicht sofort bemerkt, haben wir schon seit Jahren das Programm „Ich sag’s!“. Kinder und Jugendliche können jederzeit unsere Mitarbeitenden ansprechen, wenn sie in irgendeiner Art von anderen Badegästen belästigt wurden. Damit wollen wir Glotzen und Grapschen keine Chance geben. Ebenso haben unsere Beschäftigten auch für Erwachsene immer ein offenes Ohr.

Welche Maßnahmen haben Sie in dem Konzept konkret ausgearbeitet und wie schützen diese auch die Beschäftigten vor Gewalt?

Neben Deeskalationsschulungen können die Mitarbeitenden auch an Selbstverteidigungskursen teilnehmen. Dadurch sollen sie sich einerseits schützen können, sollte es doch einmal zu körperlicher Gewalt gegen sie kommen. In erster Linie soll es aber Beschäftigte mental stärken, die sich als Reaktion auf Gewalt eher zurückziehen und schnell überfordert sind. Sie sollen aus der Hilflosigkeit herauskommen und Selbstvertrauen gewinnen. Hierbei geht es nicht darum, auf Gewalt mit Gegengewalt zu reagieren, sondern in erster Linie um Selbstschutz und Selbstbehauptung.

Außerdem ist uns besonders wichtig, dass die Beschäftigten gut zusammenarbeiten. Denn sollte es tatsächlich zu übergriffigen Situationen kommen, ist dann allen Mitarbeitenden klar, dass sie sich auf ein gut eingespieltes Team verlassen können.

Bei größeren Veranstaltungen oder einem hohen Besucheraufkommen können wir außerdem auf zusätzliches Sicherheitspersonal zurückgreifen, das wir nach Bedarf einsetzen. Sollte es tatsächlich zu Gewalt kommen, haben wir diese Sicherheitskräfte als Unterstützung, um die Situationen möglichst noch zu deeskalieren. Natürlich wird dann aber auch die Polizei gerufen und diese nimmt den Fall auf. Personen, die unsere Regeln in den Bädern nicht akzeptieren, Dritte belästigen oder gefährden, bekommen einen Verweis. Wir nehmen unser Hausrecht wahr und reagieren mit einem Badeverbot für die gesamte Saison in allen Bädern.

Welche technischen Maßnahmen haben Sie ergriffen?

Einerseits bieten wir einen Onlineticketverkauf schon seit etwa dem Beginn der Coronazeit. Zudem sind unsere Drehkreuze automatisiert, was einen schnelleren Einlass ermöglichen soll. Zudem überwachen wir die Eingangsbereiche per Video. Diese technischen Geräte können allerdings immer mal wieder nicht funktionieren, wenn zum Beispiel ein Server ausfällt oder die Sonneneinstrahlung den Sensor des Drehkreuzes stört. Sich allein auf technische Maßnahmen zu verlassen ist also nicht ratsam. Stattdessen setzen wir wie gesagt vor allem auf organisatorische Maßnahmen. Zudem gehen wir am Einlass mit einer Kontrolle des Bronzeabzeichens sicher, dass alle unter 18-Jährigen wirklich schwimmen können.

Wie sehr waren die Beschäftigten im Vorfeld in die Ausarbeitung der Maßnahmen mit einbezogen?

Unsere Beschäftigten sind an den Maßnahmen nicht nur beteiligt, sie selbst haben diese auch mitgestaltet. Zum Beispiel sind die Selbstverteidigungskurse auf Anregung der Mitarbeitenden in den Bädern realisiert worden.

Die Maßnahmen werden daher vermutlich von den Beschäftigten sehr gut angenommen?

Ja, denn für viele unserer Mitarbeitenden ist es schwer zuzugeben, dass man in manchen Situationen überfordert war, wenn man zum Beispiel beschimpft oder bespuckt wurde oder in anderer Art und Weise von Gewalt betroffen war. Bei unseren internen Schulungen bieten wir eine geschützte Atmosphäre, sodass unsere Beschäftigten mit persönlich schwierigen Situationen besser umgehen können. Die Offenheit in den Schulungen tut unseren Teams gut. Denn es ist klar, dass jeder und jede in diesem Job eine Situation hatte, die herausfordernd war. Aufeinander achtzugeben und einen Blick dafür zu bekommen, wenn jemand Unterstützung benötigt, ist das Ziel. Die Teams im Bad arbeiten perfekt zusammen. Der Ablauf muss wie eine Kette organisiert sein, die zusammenhält und dadurch gut funktioniert.

Sie haben bereits das zusätzliche Sicherheitspersonal angesprochen. Schon im vergangenen Jahr haben Sie einen Sicherheitsdienst eingesetzt, um auf mögliches aggressives Verhalten und Gewalt von Badegästen reagieren zu können. Warum bedarf es dieser zusätzlichen Kräfte?

Durch den Fachkräftemangel benötigen wir bei besonderen Gelegenheiten zusätzliches Personal, das wir über externe Anbieter flexibel einsetzen können, um die Sicherheit in den Bädern zu gewährleisten. Es gibt immer wieder Konflikte, die Zeit und Aufmerksamkeit benötigen. Sind unsere Mitarbeitenden damit beschäftigt, fehlt das Fachpersonal, das primär die Aufgabe hat, die Sicherheit im Bad zu gewährleisten. Aus diesem Grund freuen wir uns über Unterstützung der Sicherheitskräfte.

Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Wir haben gute Erfahrungen gemacht, denn durch die größere Anzahl an Personen konnten Konflikte früh erkannt und gelöst werden. Der Einsatz der zusätzlichen Sicherheitskräfte hat sich also als sehr positiv herausgestellt. Außerdem konnte der Service verbessert werden, weil beispielsweise mehr Zeit für Fragen oder Auskünfte vorhanden war. Das Arbeitsklima hat sich verbessert, weil sich die Arbeitsbedingungen entspannt haben. Deshalb setzen wir auch dieses Jahr wieder einen Sicherheitsdienst ein.

Zu den Badegästen: Wie reagieren diese auf das Konzept und wird das Feedback von Ihnen aufgenommen und in Ihr Konzept integriert?

Die zusätzlichen Kräfte sind nicht uniformiert und somit für die Badegäste nicht von unseren Mitarbeitenden zu unterscheiden. Wir haben gute Rückmeldungen, weil sich der Service verbessert hat. Die Anwesenheit von mehreren Personen, die im Bad arbeiten, wird von den Badegästen sehr positiv aufgenommen. Das Feedback unserer Besucherinnen und Besucher nehmen wir auf jeden Fall auf. Wir planen eine zusätzliche Kundenzufriedenheitsmessung bis zum Ende des Jahres.

Können Sie mit Blick auf die bisherige Freibadsaison sagen, wie gut Ihr Konzept in diesem Jahr greift? Mussten Sie bei manchen Maßnahmen nachbessern?

Wir sind derzeit gut aufgestellt und hoffen, dass das auch in den kommenden Monaten so bleibt. Nachbesserungen sind momentan nicht nötig, auch nicht für besonders heiße Tage mit bedeutend mehr Besucherinnen und Besuchern. Hier helfen uns eindeutig die Erfahrungen aus dem letzten Jahr. Uns ist aber ebenso wichtig, auf unterschiedlichen Ebenen immer in Kommunikation zu bleiben und uns auszutauschen. Denn wir sind immer daran interessiert, uns weiterzuentwickeln. Aus unserem sogenannten „Azubibad“, das hauptsächlich von unseren Auszubildenden für einige Wochen im Jahr betrieben wird, kommen zum Beispiel immer wieder viele Anregungen, wie man bestimmte Abläufe, den Kundenkontakt und weitere Dinge des Bäderalltags verbessern könnte. Natürlich kann es immer sein, dass wir in der Zukunft aufgrund neuer Situationen unser Konzept in manchen Teilen noch einmal weiterentwickeln müssen. Dieses Thema ist generell immer ‘work in progress‘.

Ein Konzept zur Gewaltprävention aufzustellen ist sicherlich nicht einfach und bedarf vieler Überlegungen. Worauf sollten Bäderbetriebe bei der Ausarbeitung und der Umsetzung Ihrer Meinung nach generell achten?

Es gibt von der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen eine Empfehlung an alle in der Bundesrepublik befindlichen Schwimmbäder. Diese haben wir als Hilfestellung zu Rate gezogen. Wer welche Maßnahmen wie benötigt und gegebenenfalls umsetzt ist sehr unterschiedlich. Allerdings befinden sich die Bäderbetriebe seit vielen Jahren im Austausch. Wichtig ist meiner Meinung nach die individuelle Anpassung an die jeweiligen Bedürfnisse. Zudem möchten wir alle, dass sich unsere Gäste bei uns wohlfühlen und sich alle an die gängigen Regeln halten, die das Zusammentreffen unterschiedlicher Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen festhalten.

Wie sehr lässt sich Ihr Konzept in anderen Freibädern anwenden?

Die Anzahl an schwierigen Situationen hält sich bei uns in sehr engen Grenzen. Unser Konzept lässt sich daher vermutlich hauptsächlich nur von Freibädern mit einer ähnlichen Ausgangslage adaptieren. Aufgrund unserer eher ruhigen Gesamtsituation arbeiten wir daran, dass der kleine prozentuale Anteil der Personen, die sich nicht an Regeln halten, weiterhin gering bleibt. So kann sich die Mehrheit der Badegäste bei uns wohlfühlen und bei uns Sport treiben, sich entspannen und eine gute Zeit verleben.

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