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IPA Journal 01/2025

Asbestbedingten Krebs frühestmöglich erkennen und gezielt behandeln

Wie arbeiten die Mesotheliomeinheiten?

Mesotheliome sind seltene, in der Regel durch Asbest verursachte, bösartige Tumoren. Meistens treten sie im Bereich des Lungen- oder Brustfells (Pleura) oder des Bauchfells (Peritoneum) auf. Bei Verdacht auf das Vorliegen eines Mesothelioms kann in zertifizierten Mesotheliomeinheiten die diagnostische Abklärung und die gegebenenfalls notwendige Therapie durch fächerübergreifende Expertenteams sichergestellt werden.

Noch immer versterben viele Mesotheliomerkrankte innerhalb von zwei Jahren nach der Erstdiagnose an den Folgen ihres Tumors. Das liegt insbesondere auch daran, dass es bis vor Kurzem an einer Methode zur Früherkennung fehlte. Somit wurde der Krebs erst spät, in fortgeschrittenen Stadien, und dann mit eingeschränkten Therapieoptionen diagnostiziert.

Dr. med. Ingolf Hosbach, stellv. Leiter der Poliklinik des IPA

Dr. I. Hosbach, IPA
Bild: Bernd Naurath

Wie arbeiten die Mesotheliomeinheiten?

In bildgebenden Verfahren wie einer Computertomographie (CT) ist das Mesotheliom im Anfangsstadium kaum erkennbar. Der Grund dafür liegt in seiner Form: „Das Mesotheliom ist kein runder, auf dem CT gut erkennbarer Tumor, wie dies zum Beispiel bei Lungenkrebs der Fall ist“, sagt Dr. med. Ingolf Hosbach, Leiter der DGUV-Projektgruppe für Mesotheliomtherapie und stellvertretender Leiter des Referates Poliklinik, Berufskrankheiten und Beratung am IPA. „Dieser Tumor wächst zunächst flach, ähnlich einem Spiegelei, im Brust- oder Bauchfell und ist in seinen Frühstadien hauchdünn.“ Demgegenüber sind bei einem weit fortgeschrittenen Mesotheliom die Symptome für Betroffene nur schwer zu ertragen: „Der Tumor mauert den Brustkorb und die Lunge des Patienten regelrecht ein“, so Hosbach.

Biomarker für Früherkennung bei Risikogruppe

Da es sich bei Mesotheliomen häufig um eine berufsbedingte Erkrankung handelt, haben die Unfallversicherungsträger und das IPA erfolgreich für eine bessere Früherkennung geforscht: Im Rahmen der MoMar-Studie des IPA wurden im Blut nachweisbare Biomarker identifiziert ( s. Infokasten), die einen Hinweis darauf liefern, ob ein Mesotheliom vorliegen könnte.

Aufgrund der Erkenntnisse der MoMar-Studie wird im Rahmen des neuen Erweiterten Vorsorgeangebots zur Früherkennung von Mesotheliomen (EVA-Mesothel) die Bestimmung dieser Biomarker bei Risikopatienten und -patientinnen mit einer bereits anerkannten Berufskrankheit (BK-Nr.) 4103 „Asbeststaublungenerkrankungen oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen der Pleura“ eingesetzt. Betroffene Versicherte werden von ihrem Unfallversicherungsträger zur Teilnahme an EVA-Mesothel eingeladen und bei Interesse ärztlich untersucht. Dabei wird auch Blut für die Bestimmung der Biomarker abgenommen. Zeigt die Auswertung erhöhte Biomarker-Werte, vereinbart die Ärztin oder der Arzt einen Termin zur Abklärung in einer zertifizierten Mesotheliomeinheit. In der Mesotheliomeinheit führen Experten und Expertinnen dann eine Leitlinien-gerechte erweiterte Diagnostik durch und bieten im Falle eines Mesothelioms eine frühzeitige, interdisziplinäre Behandlung an. Je früher der Tumor erkannt wird, desto kleiner ist er. Wird die Therapie früh begonnen, könnten Nebenwirkungen verringert und im Idealfall die Überlebenszeit der Betroffenen verlängert und die tumorbedingte Sterblichkeit verringert werden.

Die Kosten für die Früherkennung im Rahmen von EVA-Mesothel übernehmen die Unfallversicherungsträger gemäß einer speziellen Gebührentabelle, welche auch ambulante Leistungen der Mesotheliomeinheit enthält.

Neben den EVA-Mesothel-Verdachtsfällen können sich natürlich auch Patienten und Patientinnen mit ärztlich begründetem Verdacht oder bereits diagnostiziertem Mesotheliom zur Diagnostik, Therapie, Beratung und Zweitmeinung in einer Mesotheliomeinheit vorstellen.


Prof. Dr. S. Bölükbas, Ruhrlandklinik Essen

Prof. Dr. S. Bölükbas, Ruhrlandklinik Essen

Deutschlandweit bislang 20 Mesotheliomeinheiten

Es gibt deutschlandweit aktuell bereits 20 Mesotheliomeinheiten. Ihre Zertifizierung nach Kriterien der Deutschen Krebsgesellschaft durch Onkozert wurde von der DGUV gefördert.

Organisatorisch und räumlich sind die Mesotheliomeinheiten an zertifizierte Lungenkrebszentren von Kliniken angegliedert, da dort die nötige Infrastruktur und das entsprechende Fachwissen bereitstehen. Die Mesotheliomeinheiten sind damit immer auch an die onkologischen und thoraxchirurgischen Abteilungen (Behandlungszentren) gleichermaßen angebunden. „Mesotheliome können Menschen betreffen, die in Kontakt mit Asbest standen. Für den Rest der Bevölkerung sind sie so selten, dass auch viele Ärzte kaum Kontakt mit dieser Erkrankung haben“, sagt Hosbach. „Deshalb ist es ein Ziel, die im Vergleich zu anderen Krebsarten wenigen Fälle auf Mesotheliom-Einheiten zu konzentrieren. Dort sind das Wissen sowie die Erfahrung gebündelt. Den Patienten kann so bestmöglich geholfen werden.“

Im Rahmen der Pilotphase von EVA-Mesothel wurde die Ruhrlandklinik in Essen Teil des Projekts. Die dortige Mesotheliomeinheit der Klinik und des Westdeutschen Tumorzentrums bekam als erste Verdachtsfälle aus der Früherkennung zugewiesen.

Von Anfang an mit dabei war Prof. Dr. Servent Bölükbas, Direktor der Klinik für Thoraxchirurgie und thorakale Endoskopie. In der von ihm betreuten Mesotheliomeinheit wurden bislang 29 Patienten im Rahmen von EVA-Mesothel untersucht. Hierbei wurden drei Mesotheliome entdeckt. „Diese Zahlen unterstreichen die Bedeutung dieses strukturierten Programms, das eine frühe Identifikation und Betreuung von Patienten mit Mesotheliom ermöglicht“, betont Bölükbas. Für Patienten aus EVA-Mesothel erfolgt die Terminvergabe in der Ruhrlandklinik individuell. So soll sichergestellt werden, dass ein Onkologe und ein Thoraxchirurg zeitgleich verfügbar sind, um eine umfassende, fachübergreifende Begutachtung und Behandlungsplanung durchzuführen.

Medizinische Betreuung durch interdisziplinäre Expertenteams

Bei ihrem ersten Termin in der Mesotheliomeinheit werden die Patienten und Patientinnen im Rahmen einer ambulanten Abklärungssprechstunde detailliert zu Krankengeschichte und Risikofaktoren befragt. „Meist liegen bei ihnen noch gar keine Beschwerden vor, da Mesotheliome tückischerweise sehr spät erste Symptome entwickeln“, so Ingolf Hosbach. „Deswegen stehen meist Untersuchungen im Mittelpunkt, die feststellen sollen, wo genau auf welcher Brustkorbseite ein verdächtiger Bereich besteht.“ Dazu wird in der Regel neben einer Ultraschalluntersuchung ein CT mit Kontrastmittel durchgeführt. „Diese Untersuchung bringt im Gegensatz zu CT-Untersuchungen ohne Kontrastmittel eine deutliche Strahlenbelastung mit sich und kann deshalb nicht bei der Früherkennung eingesetzt werden”, so Hosbach. „Sie wird erst angewandt, wenn ein konkreter Verdacht besteht.“ Da der Tumor stärker als das umliegende Gewebe durchblutet ist, reichert sich das Kontrastmittel in ihm an. In der Folge werden Stellen auf dem Brustfell sichtbar, die ein Mesotheliom sein könnten. „Bei Verdacht auf das Vorliegen eines Mesothelioms sehen die Leitlinien danach vor, dass eine videoassistierte Brustraumspiegelung durchgeführt wird, um aus diesen Stellen Proben zu gewinnen“, so der Mediziner. Diese werden dann in der Pathologie auf das Vorliegen eines Mesothelioms untersucht.

Sollte für die Untersuchungen oder im weiteren Verlauf eine stationäre Aufnahme notwendig sein, kommt der zuständige Unfallversicherungsträger für die entstehenden Kosten auf.

„Sobald die Diagnose Mesotheliom feststeht, wird in der Mesotheliomeinheit ein individuelles Behandlungskonzept in unserem interdisziplinären Expertenteam erstellt“, erläutert Servent Bölükbas. „Dabei werden die Ergebnisse der Gewebeuntersuchung, der Allgemeinzustand des Patienten, seine persönlichen Bedürfnisse und das Stadium der Erkrankung berücksichtigt.“

Vielfältige Therapiemöglichkeiten

Im Falle eines Mesothelioms sind dessen Therapiemöglichkeiten inzwischen vielfältig und individuell. Sie richten sich nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. Die Behandlungsmöglichkeiten und das weitere Vorgehen hängen je nach Fall auch von der Art des Mesothelioms ab. Möglich sind in unterschiedlicher Abfolge eine seit rund drei Jahren zugelassene Immuntherapie sowie Chemotherapien mit verschiedenen Medikamenten, Strahlentherapie und Operationen. Neben den Ärztinnen und Ärzten werden zur Unterstützung von Erkrankten und deren sozialem Umfeld auch Onko- Psychologen sowie der soziale Dienst der Mesotheliomeinheit hinzugezogen. „Zudem empfiehlt die Projektgruppe Mesotheliomtherapie der DGUV, dass für die Koordination der Behandlung und weiteren Versorgung nach dem Klinikaufenthalt oder auch für Hilfsmittel das Reha -Management der Unfallversicherungsträger von Anfang an eingebunden wird, wenn die Betroffenen dies wünschen“, betont Ingolf Hosbach. Das Reha-Management koordiniert dann alle notwendigen Maßnahmen. Dabei arbeitet es mit den spezialisierten Ärzten und Ärztinnen, Rehabilitationskliniken und Unternehmen zusammen.

Für Patienten und Patientinnen sieht Bölükbas durch die Einrichtung der Mesotheliomeinheit an seiner Klinik eine deutliche Verbesserung: Risikopatienten aus EVA-Mesothel werden hier früher diagnostiziert, als dies sonst der Fall gewesen wäre. Zudem gibt es in den Spezialeinheiten eine individuelle Betreuung: „Die fachübergreifende Betrachtung führt zu maßgeschneiderten Therapieplänen, die auf die spezifischen Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten sind“, betont Bölükbas. Auch durch die strukturierten Abläufe und die enge Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche werde die Versorgung von Patienten mit Mesotheliom deutlich verbessert.

Mithilfe der Früherkennung im Rahmen von EVA-Mesothel und der leitliniengerechten Diagnostik in den Mesotheliomeinheiten sowie deren gezielten Therapieansätzen könnte in Zukunft das Leid von Mesotheliom- Patientinnen und Patienten gelindert und ihre Überlebenszeit verbessert werden.


Studie zu Molekularen Markern (MoMar)

Im Rahmen der MoMar-Studie identifizierte das IPA Calretinin und Mesothelin als in einem Bluttest zur Früherkennung von Mesotheliomen geeignete Biomarker.

Weitere Informationen

EVA-Mesothel

Bei EVA-Mesothel handelt es sich um das Erweiterte Vorsorge Angebot zur Früherkennung von Mesotheliomen. Es berücksichtigt die Ergebnisse der MoMar-Studie. Patientinnen und Patienten mit einer anerkannten BK-Nr. 4103 werden zur Früherkennung eines Mesothelioms anhand der Bestimmung von Biomarkern eingeladen. An EVA-Mesothel beteiligt sind bislang die fünf Berufsgenossenschaften BGHM, BGHW, BG ETEM, BG Bau und BG RCI.

Im Falle eines auffälligen Biomarker-Befundes endet EVA-Mesothel und es erfolgt zur weiteren Abklärung die Überweisung an eine Mesotheliomeinheit.

Weitere Informationen

Kontakt

Autorin
Nina Bürger
IPA

Fachliche Ansprechperson
Dr. Ingolf Hosbach
IPA

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