IPA Journal 02/2024

Aktinische Keratosen und heller Hautkrebs: Identifizierung von Faktoren, die diese Entwicklung begünstigen

Entwicklung eines neuen Bewertungssystems zur Risikoabschätzung bei aktinischen Keratosen

Hautkrebserkrankungen aufgrund verstärkter UV-Einstrahlung nehmen zu. Beschäftigte, die sich berufsbedingt viel im Freien aufhalten, sind besonders gefährdet. Seit 2015 können Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung als Berufskrankheit anerkannt werden. Aktuell fehlen prognostische Faktoren und eine Risikobewertung, wann sich aus einer aktinischen Keratose heller Hautkrebs entwickelt. Versicherte, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit ein höheres Risiko haben, an Hautkrebs zu erkranken, könnten daher besonders von einem verbesserten Bewertungssystem von aktinischen Keratosen profitieren.

Aktinische Keratose kann sich zu hellem Hautkrebs entwickeln

Die aktinische Keratose (AK) ist eine Vorstufe von Hautkrebs, die sich unbehandelt zu hellem Hautkrebs, dem sogenannten kutanen Plattenepithelkarzinom (cSCC; cutaneous squamous cell carcinoma) entwickeln kann. Bei den AK handelt es sich um rötliche, manchmal auch hautfarbene, fest haftende Rauigkeiten der Hautoberfläche. Sie treten ausschließlich an den sogenannten Lichtterrassen des Körpers auf, zumeist im Gesicht, an den Handrücken, Unterarmen oder an kahlen Stellen auf der Kopfhaut.

Die Angaben zur Häufigkeit der aktinischen Keratosen in Deutschland sind begrenzt. Man geht davon aus, dass aktuell in Deutschland 1,7 Mio. Menschen aufgrund von AK in Behandlung sind. In einer Studie mit rund 90.000 Beschäftigten wurde für alle Altersgruppen eine Häufigkeit von 2,7 % berechnet. Die Erkrankung stieg mit zunehmendem Alter an. So waren es in der Gruppe der 60- bis 70-jährigen bereits 11,5 %. Männer waren mit 3,9 % häufiger betroffen als Frauen mit 1,5 % (Schäfer et al. 2014). Andere Quellen geben Werte von 20 % bei über 60-jährigen Männern und 52 % bei über 70-jährigen Männern an (S3 Leitlinie AK und Plattenepithelkarzinom 2022, Green et al. 2015).

In den letzten zehn Jahren wurde eine deutliche Zunahme der aktinischen Keratosen festgestellt. Grund dafür ist neben einer chronischen UV-Exposition der demographische Wandel mit einem höheren Anteil der älteren Bevölkerung. Personen, die sich in ihrer Freizeit oder auch berufsbedingt viel im Freien aufhalten, und daher vermehrt einer natürlichen UV-Exposition unterliegen, weisen ein erhöhtes Risiko auf, an AKs zu erkranken (Schmitt et al. 2011).

Multiple aktinische Keratosen sowie Plattenepithelkarzinome der Haut durch natürliche UV-Strahlung können seit dem 1. Januar 2015 unter der Nummer 5103 als Berufskrankheit anerkannt werden. Im Jahr 2023 wurden insgesamt 7.587 Anzeigen auf Verdacht einer BK 5103 gestellt, von denen wiederum 3.517 (46,4 %) als Berufskrankheit anerkannt wurden (DGUV 2023).

Geringe Sterblichkeit, aber steigende Fallzahlen

Präventive Maßnahmen zum Schutz vor der Sonne, wie das Tragen von UV-Schutzkleidung und die Verwendung von Sonnenschutzmittel sind essenziell. Sie werden sich allerdings in naher Zukunft noch nicht bemerkbar machen, da das Risiko für aktinische Keratosen/cSCC durch die stattgefundene UV-Exposition in der Vergangenheit definiert ist. Hinsichtlich der berufsbedingten Exposition ist auch die Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu bedenken.

Wenngleich sich nur zu einem kleineren Teil aktinische Keratosen zu einem hellen Hautkrebs entwickeln, so ist es gegenwärtig noch nicht möglich vorherzusagen, aus welcher Keratose ein Hautkrebs entstehen kann. In der Vergangenheit wurden bereits zahlreiche Faktoren beschrieben, die mit der Entstehung des hellen Hautkrebses aus aktinischen Keratosen in Verbindung stehen. Allerdings konnte nur in einem Teil der Fälle ein klarer Zusammenhang hergestellt werden. Um eine gesicherte Prognose zur Hautkrebs-Entstehung abgeben zu können, besteht die dringende Notwendigkeit, neue Bewertungskriterien zu entwickeln, die eine Früherkennung und Therapie ermöglichen.

DGUV fördert Verbundprojekt

Die Entwicklung genau eines solchen Bewertungssystems, welches das Progressionsrisiko anzeigt, fördert jetzt die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) in der Universitätsklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie des St. Josef-Hospitals in Bochum. Dabei arbeitet die Klinik zusammen mit dem IPA. Gewürdigt wird hier sowohl die große Expertise der dermatologischen Klinik auf dem Feld der aktinischen Keratosen als auch die langjährige erfolgreiche Kooperation beider Institutionen bei einer Vielzahl anderer maligner Hauterkrankungen (Cramer et al. 2020, Gambichler et al. 2021). Zu diesem Zweck werden circa 300 Teilnehmende mit einer oder mehreren AK-Läsionen über einen Zeitraum von fünf Jahren und in halbjährlichen Intervallen untersucht. Ziel dieses auf fünf Jahre angelegten Projektes ist es, auf Basis klinisch-histologischer, molekularer und patienten-spezifischer Daten einen Score zu entwickeln. Dieser soll eine Einteilung von Patientinnen und Patienten in solche mit niedrigem und hohem Risiko für die Entwicklung von cSCC ermöglichen.

Bewertungssystem kann die Individualprävention stärken

Mit Hilfe dieses Bewertungssystems sollen medizinisch nicht notwendige Therapien bei Personen ohne Progressionsrisiko reduziert werden. So könnten unerwünschte Nebenwirkungen der Therapien vermieden und das Gesundheitssystem entlastet werden. Im Gegenzug könnten Patientinnen und Patienten, die ein erhöhtes Progressionsrisiko aufweisen, engmaschiger kontrolliert beziehungsweise frühzeitiger therapiert werden. Weiterhin sollen die gewonnenen Erkenntnisse den Unfallversicherungsträgern als Grundlage und Hilfestellung dienen, um Personen mit anerkannter BK-Nr. 5103 gezielt und individuell angepassten Präventionsmaßnahmen zuzuführen. Dies betrifft insbesondere diejenigen anerkannten Fälle, deren klinisches Bild sich noch auf das Vorhandensein multipler AK bzw. oberflächlicher cSCC beschränkt, um deren Progression in eine invasive und damit potenziell metastasierende Form zu minimieren. Somit unterstützt das Projekt die Unfallversicherungsträger in ihren Bestrebungen, die Individualprävention im Bereich beruflich verursachter Hauterkrankungen zu verbessern.

Kurz gefasst

Aktuell sind in Deutschland mehr als 1,7 Mio. Menschen aufgrund einer aktinischen Keratose in Behandlung.

Ein Verbundprojekt erforscht Faktoren, die die Entwicklung von hellem Hautkrebs aus seiner Vorstufe der aktinischen Keratose begünstigen.

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) fördert dieses Projekt der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie des St. Josef-Hospitals Bochum.

Autorin/Autoren

Prof. Dr. Thomas Brüning
PD Dr. Kerstin Lang
Dr. Heiko Käfferlein
IPA

PD Dr. Thomas Meyer
Prof. Dr. Eggert Stockfleth
Universitätsklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, St. Josef-Hospital, Katholisches Klinikum Bochum

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Literatur

 

Cramer P, Stockfleth E. Actinic keratosis: where do we stand and where is the future going to take us? Expert Opin Emerg Drugs.

2020; 25: 49-58

DGUV. DGUV-Statistiken für die Praxis. Aktuelle Zahlen und Zeitreihen aus der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V., Berlin

https://www.dguv.de/de/zahlen-fakten/bk-geschehen/index.jsp

Gambichler T, Ganjuur N, Tannapfel A, Vogt M, Scholl L, Abu Rached N, Bruckmüller S, Skrygan M, Becker JC, Käfferlein HU, Brüning T, Lang K. Mismatch Repair Protein Expression and Microsatellite Instability in Cutaneous Squamous Cell Carcinoma. Curr Oncol. 2021 27; 3316-3322

Green AC. Epidemiology of actinic keratoses. Curr Probl Dermatol. 2015; 46: 1-7

S3 Leitlinie Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut, Version 2.0. – Dezember 2022, Leitlinienprogramm Onkologie

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