IPA Aktuell 03

SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards und psychische Belastung - Ausgabe 01/2021

Verkäufer hinter einem Verkaufstresen
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IPA-Studie befragt Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Beschäftigte

Im Jahr 2020 infizierten sich in Deutschland mehr als 1,5 Millionen Menschen mit dem Coronavirus. Das öffentliche Leben musste stark eingeschränkt werden. Auch in Zeiten der SARS-CoV-2-Epidemie haben Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz oberste Priorität. Im Rahmen einer Studie des IPA soll die Umsetzung der SARS-CoV-2-Präventionsmaßnahmen in Betrieben und die psychische Beanspruchung durch SARS-CoV-2-bedingte Einschränkungen in verschiedenen Branchen erfasst werden.

Das Coronavirus SARS-CoV-2 hat sich weltweit ausgebreitet. Die erste Infektionswelle traf Deutschland im Frühjahr 2020. Diese in Deutschland bisher unbekannte Situation stellte Beschäftigte und Unternehmen vor neue Herausforderungen. Im April 2020 formulierte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mit Unterstützung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard (BMAS 2020). Gemeinsam mit den branchenspezifischen Ergänzungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger trug dieser dazu bei, den Infektionsschutz in Unternehmen zu regeln und Beschäftigte in den Betrieben wirksam vor dem Coronavirus zu schützen (DGUV 2020). Mit der später erstellten SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel wurden die zusätzlich erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen für den betrieblichen Infektionsschutz konkretisiert (BMAS 2020).

Branchenabhängiges Infektionsrisiko

Das Infektionsrisiko ist erwartungsgemäß branchenabhängig unterschiedlich. Aufgrund des erhöhten Expositionsrisikos medizinischer Fachkräfte fokussiert sich die arbeitsmedizinische Forschung in Bezug auf COVID-19 häufig auf Gesundheitsberufe. Internationalen Untersuchungen zufolge weisen jedoch auch Beschäftigte im Einzelhandel und im Verkehrssektor erhöhte Raten an COVID-19-Erkrankungen und -Todesfällen auf (Lan et al. 2020; Windsor-Shellard und Butt 2020). Neben der Anzahl und Dauer der Kontakte hängt das ermittelte Infektionsrisiko für Beschäftigte mit Kundenkontakt, wie beispielsweise im Einzelhandel, vor allem von der aktuellen Infektionshäufigkeit vor Ort ab (Özcan und Dieterich 2020). Eine Analyse der Routinedaten einer deutschen gesetzlichen Krankenkasse fand hingegen keine Hinweise für vermehrte COVID-19-Fälle bei Beschäftigten in Supermärkten oder im Nahverkehr (Möhner und Wolik 2020). Dennoch können sich die Sorge vor einer SARS-CoV-2-Infektion, die Neugestaltung des Arbeitsalltags aufgrund der eingeleiteten Präventionsmaßnahmen, Kurzarbeit oder die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes als Belastung der Beschäftigten aller Branchen erweisen Bisher wurden die tatsächliche Umsetzung von SARS-CoV-2-bedingten Präventionsmaßnahmen sowie die psychische Beanspruchung der Beschäftigten in dieser Extremsituation weder quantifiziert noch zwischen verschiedenen Branchen in deutschen Unternehmen wissenschaftlich verglichen.

Studienziel und -design

In Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW), der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) und der Unfallkasse Hessen führt das IPA seit Ende 2020 eine Online-Befragung durch, die zwei Ziele verfolgt: Im Modul I soll die Umsetzung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards in der Praxis untersucht werden. Im Modul II wird die Auswirkung der Pandemie auf die psychische Belastung der Beschäftigten in den Branchen Einzelhandel, Industrie, Finanzwesen, Öffentlicher Personennahverkehr und Öffentlicher Dienst untersucht.

Bei Modul I handelt es sich um eine anonyme Befragung in den Betrieben zu den dort durchgeführten Präventionsmaßnahmen. Dazu werden Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Sifa) zur Implementierung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards in den jeweiligen Betrieben und zu möglichen langfristigen Konsequenzen der Corona-Pandemie auf Pandemiepläne und Präventionsmaßnahmen befragt. Bei der Rekrutierung der Sifa wird das IPA durch den Verband für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit e.V. (VDSI) unterstützt.

Modul II umfasst die individuelle Befragung der Beschäftigten mit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 und in der aktuellen Situation. Es werden Fragen zu einer COVID-19-Erkrankung, dem allgemeinen Gesundheitszustand, zum Beruf, zu eingeleiteten Präventions- und Arbeitsschutzmaßnahmen im Betrieb aufgrund der SARS-CoV-2-Pandemie, zu Sorgen und psychischer Beanspruchung sowie zu arbeitsbedingtem Stress gestellt. Hierzu werden zum einen validierte Instrumente wie etwa die Kurzversion des Effort-Reward-Imbalance- und Overcommitment-Fragebogens, Module der deutschen Version des Copenhagen Psychosocial Questionnaire (COPSOQ) oder des Patient Health Questionnaire 4 (PHQ-4) eingesetzt (Siegrist et al. 2009; Nübling et al. 2006; Kroenke et al. 2009). Zum anderen wird eine kürzlich vorgestellte COVID Stress Skala genutzt, um die Angst vor COVID-19-Gefahren und Kontamination zu erfassen (Taylor et al. 2020).

Online-Umfrage mit geprüftem Datenschutzkonzept

Die Befragung wird in Kooperation mit dem Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG) mittels des Online-Tools “Evasys“ durchgeführt. Die erforderlichen datenschutzrechtlichen Anforderungen wurden durch den für das IPA zuständigen Datenschutzbeauftragten geprüft. Für die Studie liegt ein positives Votum der Ethik-Kommission der Ruhr-Universität Bochum vor.

Bedeutung für die gesetzliche Unfallversicherung

Die Studienergebnisse sollen einen Einblick in die Umsetzung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards geben und helfen, mögliche Perspektiven für weiterführende Maßnahmen aufzuzeigen. Auf Basis dieser Studie könnten Strategien abgeleitet werden, um das Vorgehen der Unfallversicherungsträger in vergleichbaren Situationen zu verbessern und die Belastung der Beschäftigten in einer solchen Extremsituation zu verringern.

Zum Weiterlesen empfohlen

Bundesministerium für Arbeit und Soziales. SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard. https://www.bmas.de; zuletzt aufgerufen 26.11.2020

Bundesministerium für Arbeit und Soziales; Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel. Gemeinsames Ministerialblatt 2020; 24, 484–495

DGUV 2020: https://www.dguv.de/de/praevention/corona/sonderseiten-corona/index.jsp zuletzt aufgerufen 12.01.2021

Kroenke K, Spitzer RL, Williams JBW, Löwe B. An ultra-brief screening scale for anxiety and depression: the PHQ-4. Psychosomatics 2009, 50(6):613-621. doi:10.1176/appi.psy.50.6.613.

Lan F-Y, Suharlim C, Kales SN, Yang J. Association between SARS-CoV-2 infection, exposure risk and mental health among a cohort of essential retail workers in the United States. medRxiv 2020. doi:10.1101/2020.06.08.20125120

Möhner M, Wolik A. Differences in COVID-19 risk between occupational groups and employment sectors in Germany. Deutsches Aerzteblatt 2020, 117 (38). doi:10.3238/arztebl.2020.0641

Nübling M, Stößel U, Hasselhorn H-M, Michaelis M, Hofmann F. Measuring psychological stress and strain at work - Evaluation of the COPSOQ Questionnaire in Germany. GMS Psychosoc Med 2006, 3(Doc05):1–14.

Özcan FM, Dieterich F. Eine Risikoschätzung zur Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bei Beschäftigten im Einzelhandel für Lebensmittel und Drogeriewaren. baua: Fokus 2020, doi:10.21934/baua:fokus20201012

Siegrist J, Wege N, Pühlhofer F, Wahrendorf M. A short generic measure of work stress in the era of globalization: effort-reward imbalance. Int Arch Occup Environ Health 2009, 82(8):1005-1013. doi:10.1007/s00420-008-0384-3.

Taylor S, Landry CA, Paluszek MM, Fergus TA, McKay D, Asmundson GJG. Development and initial validation of the COVID Stress Scales. J Anxiety Disord. 2020, 72:102232. doi:10.1016/j.janxdis.2020.102232

Windsor-Shellard B, Butt A. Coronavirus (COVID-19) related deaths by occupation, England and Wales: deaths registered between 9 March and 25 May 2020. Offices for National Statistics 2020, zuletzt aufgerufen 18.01.2021

 

 

 


Kurz gefasst

  • Das Risiko sich mit dem SARS-CoV-2 Virus zu infizieren ist branchenabhängig sehr unterschiedlich.
  • Das IPA befragt in einer Studie Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Beschäftigte.
  • Im Modul I dieser Studie soll die Umsetzung der ergriffenen Arbeitsschutzstandards durch eine Befragung von Fachkräften für Arbeitssicherheit während der Pandemie erfasst werden
  • Im Modul II sollen die Beschäftigten in verschiedenen Branchen zu psychischen Belastungen während der Pandemie befragt werden.

Ansprechpersonen

Dr. Swaantje Casjens

Dr. Dirk Taeger

Prof. Dr. Thomas Behrens

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