U-Linien-Montagesysteme - Instrumente zur Gefährdungsbeurteilung und arbeitswissenschaftliche Gestaltungsempfehlungen zur Prävention

Projekt-Nr. IFA 4213

Status:

abgeschlossen 11/2017

Zielsetzung:

In der industriellen Fertigung werden heute zunehmend ganzheitliche Produktionssysteme eingesetzt, an denen einzelne oder auch mehrere Beschäftigte in einem Umlaufsystem an meist U-förmig angeordneten Arbeitsstationen ganze Bauteile oder Komponenten fertigen. Hierbei ist die Arbeitsorganisation so ausgerichtet, dass an den einzelnen Arbeitsstationen überwiegend einfache Tätigkeiten ohne Wartezeiten sequentiell kontinuierlich ausgeführt werden können. Die Planung zielt darauf ab, jegliche Formen der Zeit- und Materialverschwendung zu vermeiden. Bei der Arbeit an solchen U-Linien bzw. Chaku‐Chaku-Arbeitssystemen können folgende Risikoschwerpunkte für die gesundheitliche Beeinträchtigung identifiziert werden: Reizarmut durch anforderungsarme Arbeitsinhalte, eng begrenzte Tätigkeitsspielräume, mangelnde intellektuelle Anforderungen, hohe Tätigkeitsverdichtung und physische/physiologische Risiken reiner Steh-Geh-Arbeitsplätze in Kombination mit gleichzeitig feinmotorischen Handhabungsanforderungen. Im Rahmen einer Forschungskooperation zwischen der Universität Kassel, der Technischen Universität Darmstadt und im IFA untersuchten die Forschungsinstitute mit einem ganzheitlichen Ansatz sowohl psychische als auch physische Risikofaktoren hinsichtlich ihrer Relevanz und möglicher Wechselwirkungen. Auf dieser Grundlage sollten dann geeignete Hinweise zur Gefährdungsbeurteilung und Gestaltungsempfehlungen für die verschiedenen Formen von U-Linien-Systemen abgeleitet werden.

Aktivitäten/Methoden:

Das IFA beteiligte sich an diesem Projekt im Bereich der Ermittlung der physischen Belastungen und Beanspruchungen bei der Arbeit in U-Linien. Hierbei kam ein modifiziertes CUELA-System zur Haltungs- und Bewegungsanalyse zum Einsatz, das mit einem Fokus auf die oberen Extremitäten und unter Einbeziehung elektromyographischer Analysen (EMG) die Repetitionsbelastung und die muskuläre Beanspruchung der Unterarmmuskulatur erfasste. Zusätzlich wurde die elektro-physiologische Beanspruchung der Schulter-Nacken-Muskulatur (Trapezius-Muskel) ermittelt, die sowohl von psychischen als auch von physischen Belastungskomponenten beeinflusst werden kann. An insgesamt neun ausgewählten Arbeitsstationen von Betrieben aus den Branchen Metall, Elektro bzw. Holzverarbeitung konnte das IFA mit 22 Fachkräften als Probanden Betriebsmessungen zur Repetitionsbelastung durchführen. Vorab konnten im Rahmen eines Methodenchecks die beteiligten Institute ihre Messsysteme unter Laborbedingungen an einer U-Linie in der Prozess-Lernfabrik der TU Darmstadt testen.

Ergebnisse:

Im Rahmen der ganzheitlichen Analyse von psychischen, physiologischen und physischen Belastungsparametern konnten teilweise enge Interaktionen zwischen den unterschiedlichen Bereichen nachgewiesen werden. Beispielsweise interagierte die subjektive Ermüdung (Karolinska Sleepiness Scale) stark mit Strategiewechseln bei der Körperhaltung bzw. zeigte das Monotonieempfinden eine enge Korrespondenz mit der Höhe der Repetitionsbelastung (hier Mangel an Mikropausen in der Bewegung). Die am IFA entwickelte Methodik zur Erfassung der Repetitionsbelastung konnte die untersuchten U-Linien hinreichend im Sinne einer Gefährdungsbeurteilung differenzieren. Die Spezifität der kinematischen und muskelphysiologischen Belastungsbewertung war ausreichend, so dass gefährdende Belastungen zuverlässig erkannt werden. Die Ergebnisse belegen, dass die Umlaufzeiten für einen Umlauf bzw. die Taktzeiten in der U-Linie nur wenig Aussagekraft im Hinblick auf die Repetitionsbelastung besitzen. Vielmehr sind die Anzahl der Tätigkeiten bzw. manuelle Aktionen pro Minute entscheidend. Die Jobrotation innerhalb einer Linie oder zwischen benachbarten Linien wies nur ein sehr begrenztes Potenzial hinsichtlich der Reduktion der Repetitionsbelastung aus. Vielmehr kann ein Wechsel zu anderen Tätigkeiten wie Kontroll- oder Wartungsarbeiten hier deutlich positive Effekte haben. Insgesamt zeichneten sich die untersuchten Linien durch eine überwiegend gute ergonomische Gestaltung der einzelnen Arbeitsstationen aus. Gestaltungspotenzial besteht öfters noch in den Übergängen zwischen den Stationen und bei gezielten Möglichkeiten für die Hand-/Armabstützung zur Entlastung der oberen Extremitäten.

Stand:

29.03.2018

Projekt

Gefördert durch:
  • Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM)
  • Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BGETEM)
Projektdurchführung:
  • Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA)
  • Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM)
  • Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Kassel
  • Institut für Arbeitswissenschaft der Technischen Universität Darmstadt
  • Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
Branche(n):

-branchenübergreifend-

Gefährdungsart(en):

Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren

Schlagworte:

Physische Beanspruchung/Belastung

Weitere Schlagworte zum Projekt:

neue Produktionssysteme, Repetition, U-Linie, Schulter-Arm-System

Kontakt

Weitere Informationen

Sträter, O.; Bruder, R.; Ditchen, D.; Schmidt, S.; Wakula, J.; Glitsch, U. & Schäfer, E. U-Linien-Montagesysteme – Methoden zur ganzheitlichen Gefährdungsbeurteilung sowie zur Ableitung von Gestaltungsempfehlungen 62. GfA-Frühjahrskongress - Arbeit in komplexen Systemen, digital, vernetzt, human?!, 2. - 04.03.2016, Dortmund, 2016. Weitere Publikationen wie ein Report sind für 2018 geplant.