GAIN – "Gesund arbeiten in Inklusionsbetrieben" - hier: Teilnehmende Beobachtungen und qualitative Erfassung von Belastungsfaktoren

Projekt-Nr. FF-FP 0465

Status:

abgeschlossen 07/2025

Zielsetzung:

Das Forschungsprojekt untersuchte, wie Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) in Inklusionsbetrieben gestaltet, angepasst und wirksam umgesetzt werden können. Ausgangspunkt ist die nach wie vor niedrigere Erwerbsquote von Menschen mit Behinderungen im Vergleich zur nicht-behinderten Bevölkerung sowie die besondere Rolle von Inklusionsbetrieben an der Schnittstelle zwischen Werkstatt und allgemeinem Arbeitsmarkt. Diese Betriebe bewegen sich in einem Spannungsfeld aus ökonomischem Wettbewerbsdruck und sozialem Inklusionsauftrag, in dem Arbeits- und Gesundheitsbedingungen häufig nur begrenzt an individuelle Bedarfe angepasst sind.

Ziel des Projekts war es, belastungs- und gesundheitsrelevante Arbeitsbedingungen in Inklusionsbetrieben systematisch zu erfassen, spezifische Maßnahmen zur Gesundheitsförderung zu entwickeln und diese partizipativ mit den Beschäftigten umzusetzen.

Aktivitäten/Methoden:

Methodisch wurde ein Mixed-Methods-Ansatz verfolgt, der sozialwissenschaftliche und arbeitsmedizinische Perspektiven verbindet: ethnographische Beobachtungen, Begleitungen von Mitarbeitenden, leitfadengestützte und problemzentrierte Interviews, kognitive Interviews zur Fragebogenentwicklung, Befragungen zu Muskel-Skelett-Beschwerden in leichter Sprache, Gefährdungsanalysen nach der DGUV Checkliste sowie kinematische Haltungsanalysen mittels Xsens und WIDAAN-Auswertung.

Als Praxispartner dienten eine Wäscherei (überwiegend stehende Tätigkeiten) und ein Digitalbetrieb (überwiegend sitzende Büroarbeit). Ergänzend wurden ein nicht-inklusiver Regelbetrieb (Batteriefabrik) als Vergleichsbetrieb sowie ein inklusives Gesundheitszentrum als Partner für die Entwicklung und Implementierung gesundheitsförderlicher Maßnahmen einbezogen. Die Arbeitspakete umfassten eine Literatur- und Best-Practice-Recherche, die Erhebung des Ist-Zustands, die Identifikation von Interventionsbedarfen sowie die Implementierung und Evaluation ausgewählter Maßnahmen.

Ergebnisse:

Die Ergebnisse zeigen in allen untersuchten Betrieben hohe körperliche und psychische Belastungen. Besonders auffällig sind Muskel-Skelett-Beschwerden im Bereich von Nacken/Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule mit 12-Monatsprävalenzen von teilweise über 70 %, gefolgt von Schultern, Brustwirbelsäule und Hand/Handgelenk. Beschwerden bestehen häufig chronisch (über drei Monate) und beeinträchtigen die Arbeit, führen aber nur selten zu Arbeitsunterbrechungen – viele Beschäftigte arbeiten trotz anhaltender Schmerzen weiter. Qualitativ zeigte sich eine weitreichende "Normalisierung von Schmerz": Schmerzen und Erschöpfung werden als unvermeidlicher Bestandteil der Arbeit akzeptiert und selten aktiv thematisiert oder behandelt. Gleichzeitig sind Entscheidungsspielräume gering, Arbeitsabläufe stark reglementiert und das Wissen über gesundheitsförderndes Verhalten ist begrenzt.

Im Rahmen der Interventionen wurden sowohl verhaltens- als auch verhältnispräventive Maßnahmen umgesetzt. Zentrale verhaltenspräventive Maßnahme war die Weiterentwicklung einer bestehenden "bewegten Pause" in der Wäscherei zu einem stationsspezifischen Trainingsprogramm über zwölf Wochen, an dem 92 Beschäftigte teilnahmen; 57 Mitarbeitende nahmen regelmäßig (mehr als 50 % der Einheiten) teil. Die sportmotorischen Tests zeigen signifikante Verbesserungen in ausgewählten Beweglichkeits- und Kraftparametern (z. B. Halswirbelsäulenextension, laterale Flexion, Handgelenksbeweglichkeit, Chair-Rising-Test), während sich das subjektive Wohlbefinden in den Fragebogendaten insgesamt nicht signifikant veränderte. Ergänzend wurden verhältnispräventive Maßnahmen wie die Einführung höhenverstellbarer Arbeitstische im Legebereich umgesetzt. Die kinematische Haltungsanalyse zeigt hier nur begrenzte Verschiebungen in ergonomisch günstigere Belastungsbereiche, verdeutlicht aber spezifische Ansatzpunkte für weitere ergonomische Optimierungen. Qualitative Interviews belegen eine hohe Akzeptanz der Maßnahmen, insbesondere wenn sie im Team, zu festen Zeiten und sichtbar in den Arbeitsalltag eingebettet stattfinden.

Das Projekt mündet in praxisorientierte Handlungsempfehlungen für eine inklusive betriebliche Gesundheitsförderung, die verhaltens- und verhältnispräventive Ansätze systematisch verbindet. Im Mittelpunkt stehen partizipativ entwickelte, niedrigschwellige und sprachlich barrierearme Angebote, die an reale Arbeitsbelastungen und organisationale Rahmenbedingungen anschließen (z. B. ergonomische Arbeitsplatzgestaltung, Mikropausen, Rotationsmodelle, Schulungen zu Schmerz- und Belastungsbewältigung). Entscheidend sind eine inklusive Kommunikationskultur und flexible, adaptierbare Erhebungsinstrumente, die Teilhabe unabhängig von Sprache, Bildung und kognitiven Voraussetzungen ermöglichen. Inklusionsbetriebe sollten Gesundheitsförderung als strategischen Bestandteil ihres Inklusionsauftrags verstehen – nicht nur zur Sicherung der Leistungsfähigkeit, sondern als Beitrag zu gleichberechtigter Teilhabe und sozialer Gerechtigkeit im Arbeitsleben.

Stand:

28.11.2025

Projekt

Gefördert durch:
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
Projektdurchführung:
  • Goethe-Universität Frankfurt
Branche(n):

-branchenübergreifend-

Gefährdungsart(en):

ungünstige Arbeitsumgebung

Schlagworte:

Prävention, Leistungsgewandelte Arbeitnehmer, Integration Behinderter/Allergiker am Arbeitsplatz

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Inklusion