Cannabis bei der Arbeit

Einzelnes Cannabis Blatt
Bild: Oleksandrum – Stock.Adobe.com

Cannabis gilt in Deutschland seit dem 1. April 2024 nicht mehr als illegale Droge – allerdings mit Einschränkungen.

Trotzdem sollte gelten: Cannabis hat am Arbeitsplatz nichts zu suchen. Die Sicherheit am Arbeitsplatz steht weiterhin im Mittelpunkt.

Auf dieser Webseite geben wir Antworten auf häufig gestellte Fragen in Bezug auf die Cannabislegalisierung im Zusammenhang mit der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit.


  • Cannabislegalisierung: Was hat sich geändert?

    Mit dem Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis (Cannabisgesetz – CanG)1 wird der private Eigenanbau durch Erwachsene zum Eigenkonsum sowie der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau von Cannabis in Anbauvereinigungen legalisiert. Seit dem 01. April 2024 dürfen Erwachsene in Deutschland bis zu 25 Gramm Cannabis straffrei für den Eigenkonsum mit sich tragen. Darüber hinaus ist der private Anbau von bis zu drei Cannabispflanzen gleichzeitig zum Zwecke des Eigenkonsums erlaubt. Am eigenen Wohnsitz darf eine erwachsene Person insgesamt 50 Gramm getrocknetes Cannabis zum Eigenkonsum besitzen.

    Die Regelungen zu Anbauvereinigungen und zum gemeinschaftlichen Eigenanbau in Anbauvereinigungen treten am 1. Juli 2024 in Kraft. Anbauvereinigungen dürfen an jedes Mitglied bis zu 25 Gramm Cannabis pro Tag und höchstens 50 Gramm Cannabis pro Monat abgeben (Beispielrechnung zur Einordnung der erlaubten Abgabemenge: Bei durchschnittlich 0,3 Gramm Cannabis pro Joint, entspricht das für die öffentlich erlaubten 25 Gramm etwa 80 Joints. Die von Cannabis Clubs maximal freigegebene Menge von 50 Gramm pro Mitglied monatlich wären demnach etwa 160 Joints, also etwa fünf pro Tag). Für Personen unter 21 Jahre gilt eine Grenze von 30 Gramm Cannabis pro Monat. Der Erwerb und Besitz von Cannabis durch Minderjährige (< 18 Jahre) bleiben weiterhin untersagt.

    Der Cannabiskonsum wird nach § 5 des Gesetzes zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KcanG) an und im Umkreis von bestimmten Orten (z.B. in Gegenwart minderjähriger Personen, an Schulen, in Fußgängerzonen) als Ordnungswidrigkeit geahndet. Der Konsum am Arbeitsplatz ist – sofern es sich nicht um einen der in § 5 KCanG genannten Orte handelt – nach dem KCanG zunächst einmal nicht verboten.

    Im Arbeitskontext gilt die DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“!

    Nach § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 dürfen Versicherte sich durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können.
    Zudem dürfen Unternehmer und Unternehmerinnen nach § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen. Damit gilt im Arbeitsschutzrecht ein relatives Suchtmittelverbot.

    Das CanG beinhaltet auch direkte Änderungen von arbeitsschutzrelevanten staatlichen Vorschriften. Dies betrifft den § 25 des Jugendarbeitsschutzgesetzes (JArbSchG), „Verbot der Beschäftigung durch bestimmte Personen“, der durch den Artikel 9 des CanG geändert wurde. Demnach darf eine Person, die wegen einer Straftat nach dem KCanG verurteilt wurde, Jugendliche nicht beaufsichtigen, anweisen und ausbilden. Unternehmerinnen und Unternehmer haben dies bei der Ermittlung der Befähigung der Versicherten nach § 7 Abs. 1 DGUV Vorschrift 1 zu berücksichtigen.

    Zum anderen wurde der § 5 „Nichtraucherschutz“ der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) geändert. Durch diese Änderung müssen Arbeitgebende zum Schutz der nicht rauchenden Belegschaft die bisherigen Maßnahmen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 3 ArbStättV prüfen und neu beurteilen. Die Erweiterung des Nichtraucherschutzes beinhaltet nicht nur die Ergänzung um Cannabisprodukte, sondern bildet auch die gesetzliche Grundlage für den neuen Schutz der Versicherten vor Dämpfen von E- Zigaretten und Co.

    Position der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung

    Als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung treten Berufsgenossenschaften und Unfallkassen sowie ihr Spitzenverband, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV) dafür ein, den Konsum von Alkohol und Cannabis am Arbeitsplatz und in Bildungseinrichtungen gleich zu behandeln. Das heißt: In beiden Fällen muss ein Konsum, der zu Gefährdungen an Arbeitsplätzen und in Bildungseinrichtungen führen kann, ausgeschlossen sein. Deshalb: NULL Alkohol und NULL Cannabis bei Arbeit und Bildung [1]. Dies betrifft auch den versicherten Weg von und zur Arbeit.

    1 Insbesondere Artikel 1 des CanG: Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG)

    Literaturverzeichnis

    [1] Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). (2023). Positionspapier. NULL Alkohol und NULL Cannabis

  • Cannabis, Hanf, Marihuana, Gras und Haschisch - Was ist der Unterschied?

    Cannabisprodukte werden oft auch als Marihuana, Gras oder Haschisch bezeichnet. Die verschiedenen Bezeichnungen sind aber nicht synonym zu verwenden, sondern beschreiben unterschiedliche Teile der Cannabispflanze, die auf verschiedene Art und Weise konsumiert werden und eine unterschiedlich hohe Tetrahydrocannabinol (THC)-Konzentration aufweisen [2]:

    Cannabis: Lateinisches Wort für Hanf. Der Begriff Cannabis wird oft umfassend für die Hanfpflanzen und Produkte der Pflanzen genutzt.

    Marihuana: Auch Gras genannt. Bezeichnet die getrockneten Pflanzenteile, meist die Blütenblätter, der weiblichen Hanfpflanze. Der THC-Gehalt liegt im Durchschnitt zwischen 7–11%, manche Treibhauszüchtungen enthalten aber auch 20 % und mehr.

    Haschisch: Manchmal auch als Hasch, Shit, Dope oder Piece bezeichnet. Ist das gesammelte und meist zu dunklen/braunschwarzen Platten gepresste „Harz“ der weiblichen Hanfblüten. Der THC-Gehalt1 liegt im Durchschnitt zwischen 11–19 %, maximal bei 30 %.

    Haschischöl: Ein dickflüssiger, teerartiger, stark konzentrierter Auszug aus dem Harz weiblicher Hanfblüten, der auf Zigaretten geträufelt oder Speisen und Getränken hinzugefügt werden kann. Der THC-Gehalt1 liegt teilweise über 70 %.

    Die Cannabispflanze enthält über 100 verschiedene Cannabinoide, die für die verschiedenen Wirkungen verantwortlich sind und von denen einige eine psychoaktive Wirkung besitzen [3, 4]. Das bekannteste Cannabinoid ist das THC, welches auch hauptsächlich für die berauschende und psychoaktive Wirkung von Cannabis verantwortlich ist [2, 4]. Ein weiteres wichtiges Cannabinoid ist das Cannabidiol (CBD), welches aber nicht psychoaktiv wirkt und damit keine Rauschzustände auslöst. Je nach Pflanzensorte, Anbaubedingungen und Verarbeitung schwankt der THC-Gehalt der Cannabisprodukte [2].

    Die bekannteste Konsumform von Cannabis ist das Rauchen (zumeist gemischt mit Tabak als sogenannter Joint), das Vaporisieren (Verdampfen) und der Konsum von Esswaren, denen Cannabis zugesetzt wurde (z. B. Kekse oder Gummibärchen). Wird Cannabis geraucht oder inhaliert, tritt die Wirkung meist unmittelbar ein. Wird der Wirkstoff THC über die Nahrung aufgenommen, tritt der Rausch zeitversetzt ein und die Intensität kann starken Schwankungen unterliegen [3].

    Literaturverzeichnis

    [2] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). (o.J.). Marihuana, Gras, THC? Allgemeine Infos über Cannabis

    [3] Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS). (o.J.). Cannabis

    [4] Hoch, E. & Putzig, U. (2019). Cannabis, Cannabinoide und Cannabiskonsumstörungen. PSYCH up2date, 13(5), 395–409., p. 395–409.

     

  • Wie wirkt Cannabis kurzfristig und woran kann man erkennen, dass jemand Cannabis konsumiert hat?

    Welche Wirkungen sich bei einer Person durch den Konsum von Cannabis entfalten, hängt von vielen Einflussfaktoren ab, sodass eine pauschale Aussage nicht möglich ist. Die Art und Weise sowie die Intensität der psychoaktiven Wirkung ist nicht nur vom konsumierten Produkt, dem THC-Gehalt und der aufgenommenen Menge abhängig, sondern wird auch stark von der Stimmungslage und dem Gesundheitszustand der konsumierenden Person, ihrer Persönlichkeit, Konsumerfahrung sowie der Konsumart beeinflusst [4, 5].

    Positiv erlebte Wirkungen liegen vor allem in der physischen und psychischen Entspannung, allerdings können diese von zahlreichen Nebenwirkungen begleitet sein. Daher darf die Legalisierung von Cannabis nicht dazu führen, dass die Wirkung von Cannabis verharmlost wird!

    Die häufigsten kurzfristigen Wirkungen sind in nachfolgender Tabelle dargestellt [5, 6, 4]:

    Psychde, Wahrnehmung, Denken • Angst- und Panikgefühle,
    • Orientierungslosigkeit,
    • Verminderte/verzögerte Reaktionsfähigkeit,
    • depressive Verstimmung,
    • Halluzinationen, Verfolgungsideen („Paranoia“),
    • Beeinträchtigung des (Kurzzeit-)Gedächtnisses/Erinnerungslücken,
    • gestörte Aufmerksamkeit,
    • gestörtes Zeitgefühl,
    • erhöhte Risikobereitschaft/Gleichgültigkeit gegenüber Gefahren,
    • übertriebene Albernheit
    • erhöhte Kreativität und neuartige Ideen, oft verbunden mit starken Gedankensprüngen,
    • Euphorie, bis hin zu „Lachflashs“,
    • gesteigertes Wohlbefinden/Entspannung,
    • emotionale Gelassenheit,
    • intensivere Wahrnehmung von sinnlichen Empfindungen
    Herz-Kreislauf-System • Herzrasen/gesteigerte Herzfrequenz,
    • Absinken des Blutdrucks,
    • Schwindel,
    • Kreislaufkollaps
    Bewegung und Sprache • Verschlechterung der psychomotorischen Koordination,
    • undeutliche Sprache,
    • gesteigerte Kommunikation
    Nervensystem und Magen-Darm-System • gesteigerter Appetit/gesteigertes Hungergefühl,
    • Schmerzlinderung,
    • Muskelentspannung,
    • Verminderung oder Auftreten von Übelkeit,
    • verminderte Darmbewegung,
    • geringere Magensäureproduktion
    Augen • erhöhte Lichtempfindlichkeit,
    • erweiterte Pupillen,
    • Rötung der Bindehaut/gerötete Augen,
    • verschwommenes Sehen,
    • weniger Tränenfluss,
    • Absinken des Augeninnendrucks
    Atemweg • Erweiterung der Bronchien,
    • Mundtrockenheit
    Tabelle: Häufige kurzfristige Wirkungen des Cannabiskonsums

    Die leistungseinschränkende Wirkung von Cannabis ist zwar individuell von verschiedenen Faktoren abhängig, allerdings sind die ausgehenden Risiken keinesfalls mit gefährlichen Arbeiten vereinbar. Besonders die Unvorhersehbarkeit der Wirkung und ihre Dauer sowie die damit oftmals verbundene Unterschätzung von Risiken macht den Konsum im Zusammenhang mit der Arbeit problematisch.

    Literaturverzeichnis:

    [4] Hoch, E. & Putzig, U. (2019). Cannabis, Cannabinoide und Cannabiskonsumstörungen. PSYCH up2date, 13(5), 395–409., p. 395–409.

    [5] Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS). (o.J.). Cannabis. Basisinformationen. Hamm: DHS.

    [6] Grotenhermen, F. & Timte, P. (2023). Cannabissorten in Deutschland und ihre Inhaltsstoffe. Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V.

     

  • Wie kann sich regelmäßiger Cannabiskonsum auswirken und wie äußert sich eine Abhängigkeit?

    Bei regelmäßigem und über eine längere Zeit anhaltendem Konsum sind Lungen- und Bronchialerkrankungen (bei Aufnahme durch Rauchen oder Dampfeinatmen), Herz-Kreislauf- und Hormonstörungen sowie schwerwiegendere Folgeschäden der Hirnleistung möglich. Abhängig vom Konsumverhalten zeigen sich zum Teil erhebliche Beeinträchtigungen der Lern- und Gedächtnisleistung, aber auch anderer kognitiver Fähigkeiten wie das Problemlösen oder die Aufmerksamkeit. Studien deuten darauf hin, dass durch die lipophilen Eigenschaften der Cannabinoide diese über längere Zeiten im Fettgewebe und damit auch im Gehirn verbleiben können. Damit können sie bei einem Langzeitkonsum die kognitiven Leistungen dauerhaft und nicht nur unter akutem Konsum abbauen. Es gibt Hinweise dafür, dass bei längerer Cannabisabstinenz sich die kognitive Leistung wieder normalisiert [4, 5, 7], teilweise sind die Schäden aber auch irreversibel. Langfristiger Cannabiskonsum kann zudem die Wahrscheinlichkeit erhöhen an depressiven Störungen, Angststörungen und bipolaren Störungen zu erkranken [8].

    Ebenso wie bei Alkohol oder anderen Drogen und Medikamenten kann bei regelmäßigem Konsum von Cannabis eine körperliche und psychische Abhängigkeit entstehen [4, 5].

    Hinweis

    Rückzugstendenzen bis hin zur sozialen Isolation können Symptome und gleichzeitig Hinweise für eine Abhängigkeit sein. Auch berichten Betroffene oft von Nervosität, Panikattacken, Depressionen und durch Cannabis induzierten psychotischen Symptomen wie Paranoia oder Halluzinationen. Im Arbeitskontext können darüber hinaus auch Verhaltensauffälligkeiten wie veränderte Leistungsfähigkeit, verminderte Konzentration, Unzuverlässigkeit, verlangsamte Reaktionszeiten, Desinteresse und Antriebslosigkeit gegenüber dem alltäglichen Leben sowie gehäufte Fehlzeiten auf eine Cannabisabhängigkeit hindeuten.

    Zu beachten ist allerdings, dass solche Veränderungen und Auffälligkeiten auch andere Ursachen, wie z. B. (private) Konflikte und Probleme oder andere Erkrankungen, haben können und nicht nur in Verbindung mit Suchterkrankungen auftreten. Die Aufgabe der Arbeitgebenden ist es, sicherzustellen, dass Arbeiten nicht unter dem gefährdeten Einfluss von Drogen durchgeführt werden.

    Literaturverzeichnis:

    [4] Hoch, E. & Putzig, U. (2019). Cannabis, Cannabinoide und Cannabiskonsumstörungen. PSYCH up2date, 13(5), 395–409., p. 395–409.

    [5] Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS). (o.J.). Cannabis. Basisinformationen. Hamm: DHS.

    [7] Friemel, C. M., Schneider, M., Lutz, B., Hermann, D., Hasan, A., Kambeitz, J. & Hoch, E. (2019). Kognition. In Hoch, E. & Friemel, C. M. (Hrsg.), Cannabis: Potenzial und Risiko. Eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme (S. 66–95). Heidelberg: Springer.

    [8] Hoch, E., von Keller, R., Schmieder, S., Friemel, C. M., Hermann, D., Bonnet, U., Preuss, U. & Schneider, M. (2019). Affektive Störungen und Angststörungen. In Hoch, E. & Friemel, C. M. (Hrsg.), Cannabis: Potenzial und Risiko. Eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme (S. 213–232). Heidelberg: Springer Nature.

  • Ist der Konsum von Cannabis am Arbeitsplatz durch die Legalisierung jetzt erlaubt?

    Im Arbeitsschutzrecht existiert kein absolutes Rauschmittelverbot, sodass Besitz und Konsum von entsprechenden Rauschmitteln im Arbeitsschutzrecht nicht per se untersagt sind. Das KCanG gibt keine wesentlichen Änderungen in Bezug auf den Arbeitsschutz oder Regelungen bezogen auf den Konsum am Arbeitsplatz vor, sodass der Konsum von Cannabis während der Arbeit grundsätzlich erlaubt ist, sofern dies arbeitgeberseitig nicht untersagt ist (vgl. Frage 10). Allerdings sind folgende Einschränkungen dringend zu beachten:

    Zum einen darf Cannabis nach dem KCanG nicht in unmittelbarer Nähe von Personen unter 18 Jahren, in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr sowie in Sichtweite von Schulen, Kinderspielplätzen, Kinder- und Jugendeinrichtungen oder Sportstätten konsumiert werden. In militärischen Bereichen der Bundeswehr ist der Konsum von Cannabis ebenfalls verboten.

    Zum anderen dürfen sich Beschäftigte nach § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1, trotz der Legalisierung, durch den Konsum von Cannabis nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Konsum während der Arbeitszeit oder vor dem Dienstbeginn stattgefunden hat. Auch dürfen Unternehmer und Unternehmerinnen nach § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 Versicherte nicht mit Arbeiten beschäftigen, wenn diese erkennbar nicht in der Lage sind, diese Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen. Darüber hinaus gehört es aber auch zu den aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB abzuleitenden Nebenpflichten der Beschäftigten sich nicht in einen Zustand zu versetzen, durch welchen ihre Leistungsfähigkeit zur ordnungsgemäßen Erbringung der vertraglich geschuldeten Tätigkeiten (z. B. auch im Büro) leiden würde. Rein arbeitsrechtlich bedarf es hier im Gegensatz zum Arbeitsschutzrecht auch keiner Eigen- oder Fremdgefährdung [9].

    Wichtig!

    Da im Arbeitsschutzrecht nur ein relatives Suchtmittelverbot besteht, begründet der alleinige Konsum während der Arbeitszeit für sich betrachtet noch keine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung. Es bedarf vielmehr einer konkreten Störung der Arbeitsleistung.

    Im Einzelfall ist aber z. B. das tatsächliche Gefährdungspotenzial oft schwer einzuschätzen und nachzuweisen. Daher empfiehlt es sich als Arbeitgeber oder Arbeitgeberin, gesonderte betriebliche Regelungen festzulegen, die den Konsum von Cannabis bei der Arbeit und auch in einer erforderlichen Zeit vor Dienstantritt untersagen (vgl. Frage 10).

    Literaturverzeichnis:

    [9] Aligbe, P. (2024). Das "Cannabisgesetz" im Lichte des Arbeitsschutzrechts. Betriebliche Prävention, 5, 231–236.

  • Welche Auswirkungen hat die Cannabislegalisierung auf die Arbeitswelt?

    Die vielfältigen Wirkungen eines Cannabiskonsums (siehe Frage 3 und 4) können zu einer erhöhten Unfall- und Verletzungsgefahr am Arbeitsplatz führen, nicht nur für die konsumierende Person selbst, sondern auch für andere Beschäftigte. Insbesondere die Beeinträchtigung der Reaktionsfähigkeit und die erhöhte Risikobereitschaft stellen im Arbeitskontext eine Gefährdung dar. Auch ohne Unfälle können die abnehmende Konzentrations- und Leistungsfähigkeit sowie andere Verhaltensauffälligkeiten von konsumierenden Personen zu Produktivitätseinbußen bei der Arbeit oder zu Konflikten im Team führen.

    Cannabiskonsum war schon vor der Legalisierung in Deutschland verbreitet. Laut den Ergebnissen des epidemiologischen Suchtsurveys (ESA) haben im Jahr 2021 in Deutschland 4,5 Millionen Erwachsene in den vergangenen 12 Monaten wenigstens einmal Cannabis konsumiert (10,7 Prozent der Männer sowie 6,8 Prozent der Frauen). Die 30-Tage Prävalenz lag bei der erwachsenen Bevölkerung bei 4,3 Prozent (5,7 Prozent Männer und 2,9 Prozent Frauen) [10].

    Das heißt, dass Arbeitgebende bereits vor der Legalisierung auf Beschäftigte treffen konnten, die unter dem Einfluss von Cannabis bei der Arbeit erschienen sind. Mit der Legalisierung könnte diese Situation allerdings häufiger vorkommen. Studien aus anderen Ländern in denen Cannabis in der Vergangenheit bereits legalisiert wurde, deuten darauf hin, dass die Konsumprävalenz bei Erwachsenen nach einer Cannabislegalisierung zunimmt, sodass Wissenschaftler davon ausgehen, dass der Cannabiskonsum in Deutschland zunehmen könnte [11].

    Wissenschaftlich nachgewiesen ist zudem, dass Cannabiskonsum negative Auswirkungen auf die Fahrsicherheit hat und mit einem erhöhten Verkehrsunfallrisiko einhergeht [12]. Eine kürzlich veröffentlichte Studie aus Kanada, wo Cannabis im Oktober 2018 legalisiert wurde, zeigte, dass die Rate der Hospitalisierungen aufgrund von Straßenverkehrsunfällen mit Cannabisbeteiligung im Zeitraum von 2010 bis 2021 um 473 Prozent gestiegen ist [13].

    Beruflich bedingt müssen einige Beschäftigtengruppen regelmäßig am Straßenverkehr teilnehmen, für andere (wie z.B. Straßenarbeiter und -arbeiterinnen oder Beschäftigte im Straßenbetriebsdienst) stellt der Verkehrsraum den Arbeitsplatz dar. Ob die Legalisierung auch in Deutschland zu mehr Straßenverkehrsunfällen führt und damit ein Risiko für die Sicherheit und Gesundheit verschiedener Beschäftigtengruppen darstellt, muss beobachtet werden.

    Das Gefahrenpotenzial durch die Legalisierung ist von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung neu einzuordnen, vorhandene Maßnahmen sind auf ihre Wirksamkeit zu prüfen und ggf. ergänzende Präventionsmaßnahmen abzuleiten und umzusetzen.

    Literaturverzeichnis:

    [10] Rauschert, C., Möckl, J., Seitz, N. N., Wilms, N., Olderbak, S. & Kraus, L. (2022). Der Konsum psychoaktiver Substanzen in Deutschland – Ergebnisse des Epidemiologischen Suchtsurvey 2021. Deutsches Ärzteblatt, 119, 527–534.

    [11] Manthey, J., Hayer, T., Jacobsen, B., Kalke, J., Klinger, S., Rehm, J., Rosenkranz, M., Verthein, U., Wirth, M., Armstrong, M., Myran, D., Pacula, R., Queirolo, R. & Zobel, F. (2023). Technischer Bericht. Auswirkungen der Legalisierung von Cannabis. Hamburg: Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD).

    [12] Friemel, C. M., Hoch, E., Paul, L. & Schneider, M. (2019). Fahrsicherheit und Verkehrsverhalten. In Hoch, E. & Friemel, C. M. (Hrsg.), Cannabis: Potenzial und Risiko. Eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme (S. 148–159). Heidelberg: Springer Nature.

    [13] Myran, D. T., Gaudreault, A., Pugliese, M., Manuel, D. G. & Tanuseputro, P. (2023). Cannabis-Involved Traffic Injury Emergency Department Visits After Cannabis Legalization and Commercialization. JAMA Network Open, 6(9), e2331551, p. e2331551.

  • Wann können Beschäftigte nach einem Konsum wieder ohne Beeinträchtigung arbeiten?

    Wie lange die Wirkung von Cannabis anhält, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z. B. der Art der Aufnahme (inhalativ oder oral) und der Menge des aufgenommenen THCs.

    Beim Rauchen oder Inhalieren tritt die berauschende Wirkung in der Regel unmittelbar ein und hält meist zwischen zwei und fünf Stunden an [5]. Bei einer oralen Einnahme nimmt der Körper das gegessene oder getrunkene THC langsam durch den Magen auf, sodass die berauschende Wirkung zeitverzögert (meist nach 30 Minuten bis 1,5 Stunden) eintritt [5]. Je nach konsumierter Menge kann die Dauer der Wirkung bei sechs bis acht Stunden, manchmal auch bei über 12 Stunden liegen.

    Allerdings ist zu beachten, dass der Cannabis-Wirkstoff THC wesentlich länger im Körper bleibt als z. B. Alkohol. Durch ihre lipophile Eigenschaft und der damit einhergehenden Bindung im Gehirn- und Fettgewebe können Cannabinoide auch nach Beendigung des Konsums noch Tage oder Wochen später nachgewiesen werden und psychoaktiv wirksam sein [5, 7]. Bei vorhergegangenem Langzeitkonsum sind cannabisbedingte negative Effekte auf die Kognition nach Beendigung des Konsums zum Teil auch nach einem deutlich längeren Zeitraum von mehreren Wochen weiterhin zu beobachten. Diese Auswirkungen sind teilweise reversibel, teilweise aber auch nicht. Inwiefern die Wirkung und damit auch mögliche Funktionseinschränkungen konkret anhalten, ist aufgrund uneinheitlicher Studienergebnisse, methodischer Ungenauigkeiten in den vorhandenen Studien und einer sehr heterogenen Datenlage allerdings noch nicht eindeutig erwiesen [7].

    Beispiel

    Angenommen eine erwachsene Person trinkt abends Bier oder Wein und hat gegen 22 Uhr 0,8 Promille Alkohol im Blut. Da ein gesunder Körper kontinuierlich (d.h. linear berechenbar) zwischen 0,1 bis 0,2 Promille in der Stunde abbaut, bedeutet das, dass der Alkohol nach einer berechenbaren Zeit am nächsten Morgen nicht mehr im Blut oder Urin nachweisbar ist. Anders verhält es sich bei THC, dem Cannabis-Wirkstoff: Der Abbau von THC dauert deutlich länger als die berauschende Wirkung anhält. Bei einmaligem Konsum kann THC direkt noch sechs bis 24 Stunden im Blut und zwei bis drei Tage später im Urin festgestellt werden. Bei regelmäßigem Konsum kann sogar noch Wochen nach dem letzten Konsum THC im Urin nachgewiesen werden. Das bedeutet: Wer freitags oder samstags einen Joint raucht, könnte am Montag noch nachweislich THC im Körper haben. Die Person könnte dennoch voll arbeitsfähig sein, da es ungewiss ist, wie stark sich der gemessene THC-Gehalt auf die Arbeitsfähigkeit des oder der Einzelnen auswirkt [14, 9].

    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nach derzeitigem Wissensstand noch nicht eindeutig nachgewiesen ist, wie stark sich der gemessene THC-Gehalt im Körper auf die Arbeitsfähigkeit von Personen auswirkt. Demnach liegen gegenwärtig noch keine Grenzwerte oder Empfehlungen für einen zeitlichen Mindestabstand zwischen Konsum und Dienstbeginn vor, ab dem eine Beeinträchtigung der Arbeitsleistung gänzlich ausgeschlossen werden kann.

    Literaturverzeichnis:

    [5] Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS). (o.J.). Cannabis. Basisinformationen. Hamm: DHS.

    [7] Friemel, C. M., Schneider, M., Lutz, B., Hermann, D., Hasan, A., Kambeitz, J. & Hoch, E. (2019). Kognition. In Hoch, E. & Friemel, C. M. (Hrsg.), Cannabis: Potenzial und Risiko. Eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme (S. 66–95). Heidelberg: Springer.

    [9] Aligbe, P. (2024). Das "Cannabisgesetz" im Lichte des Arbeitsschutzrechts. Betriebliche Prävention, 5, 231–236.

    [14] Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW). (2023). Cannabis-Legalisierung: Offene Fragen klären. Interview mit Nikolaus Lange.

  • Sind Beschäftigte durch eine passive Cannabisexposition gefährdet?

    Verschiedene Studien zeigen, dass eine passive Cannabisexposition in Innenräumen zu nachweisbaren Konzentrationen von THC und seinen Metaboliten (Abbauprodukte) im Blut und Urin führen und auch psychoaktive Wirkungen bei den passiv exponierten Personen verursachen kann [15, 16]. Die Auswirkungen von Passivrauch auf die ausgesetzten Personen hängen von verschiedenen Faktoren, wie z. B. der Belüftung des Raums, dem Luftvolumen, der Anzahl der gleichzeitig angezündeten Marihuana-Zigaretten oder der Stärke des Marihuanas, ab [17, 16]. Im Außenbereich ist von einem eher geringen Risiko durch Passivrauch auszugehen [16].

    Für den Arbeitskontext wurde mit dem KCanG auch der § 5 "Nichtraucherschutz" der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) angepasst, sodass Arbeitgebende Maßnahmen treffen müssen, um nicht rauchende Beschäftigte in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Rauch und Dämpfe von Tabak- und Cannabisprodukten sowie elektronischen Zigaretten zu schützen.

    Literaturverzeichnis:

    [15] Röhrich, J., Schimmel, I., Zörntlein, S., Becker, J., Drobnik, S., Kaufmann, T., Kuntz, V. & Urban, R. (2010). Concentrations of Δ9-Tetrahydrocannabinol and 11-Nor-9-Carboxytetrahydrocannabinol in Blood and Urine After Passive Exposure to Cannabis Smoke in a Coffee Shop. Journal of Analytical Toxicology, 34, 196–203.

    [16] Holitzki, H., Dowsett, L. E., Spackman, E., Noseworthy, T. & Clement, F. (2017). Health effects of exposure to second- and third-hand marijuana smoke: a systematic review. CMAJ Open, 5(4), E814–E822.

    [17] Herrmann, E. S., Cone, E. J., Mitchell, J. M., Bigelow, G. E., LoDico, C., Flegel, R. & Vandrey, R. (2015). Non-Smoker Exposure to Secondhand Cannabis Smoke II: Effect of Room Ventilation on the Physiological, Subjective, and Behavioral/Cognitive Effects. Drug and Alcohol Dependence, 151, 194–202.

     

  • Wie verhält es sich mit dem Unfallversicherungsschutz und der Haftungsbeschränkung, wenn eine Person unter Cannabiseinfluss steht?

    Unfallversicherungsrechtliche Einordnung

    Versicherte dürfen sich nach § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können.

    Gleichzeitig dürfen Unternehmer und Unternehmerinnen nach § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen.

    Darüber hinaus sind Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen nach §§ 3 ff. ArbSchG verpflichtet, entstehende Gefährdungen zu vermeiden und eine verbleibende Gefährdung möglichst gering zu halten.

    Ausschlaggebend für die Frage nach dem Versicherungsschutz ist, ob ein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 SGB VII vorliegt. Hiernach sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Diese Unfälle müssen dabei Folge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit) sein.

    Bei der Prüfung eines Arbeitsunfalls ist, immer auf den individuellen Zustand der betroffenen Person abzustellen. Derzeit führen in Deutschland Arbeits- oder Wegeunfälle unter Cannabiseinfluss daher nicht zwingend zur Ablehnung eines Arbeitsunfalls [1]. Entscheidend ist, ob noch eine versicherte Tätigkeit ausgeübt werden konnte und ob der Unfall rechtlich wesentlich durch den Cannabiskonsum verursacht wurde. Hat eine versicherte Person beispielsweise berauschende Substanzen in so großen Mengen konsumiert, dass sie nicht mehr zu einer ernstlichen, dem Unternehmen dienenden Tätigkeit in der Lage ist (Leistungsausfall), so fehlt es an einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Ein sodann eintretender Unfall, ist der privaten Risikosphäre zuzuordnen und kann nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden. Bei einem Leistungsabfall ist die betroffene Person zwar in ihren Fähigkeiten eingeschränkt, jedoch noch zur Ausübung einer ernstlichen, dem Unternehmen dienenden Tätigkeit in der Lage. Der Versicherungsschutz entfällt, wenn der Cannabiskonsum die rechtlich wesentliche Ursache für den Unfall war. Zu beachten ist, dass bei Unfällen im Straßenverkehr, bei denen der hierfür maßgebliche Grenzwert überschritten wurden (vgl. Frage 12), bei Zweifel an der Unfallursache der Versicherungsschutz entfallen kann [18].

    Zusammenfassend lässt sich festhalten
    Der Konsum von Cannabis gefährdet den Versicherungsschutz. Ist die Person nicht mehr in der Lage, eine versicherte Tätigkeit auszuüben oder wurde der Unfall rechtlich wesentlich durch den Cannabiskonsum verursacht, besteht kein Versicherungsschutz.

    Verursacht ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin einen Arbeitsunfall bei einer Kollegin oder einem Kollegen oder einer anderen im Betrieb tätigen Person, stellen sich haftungsrechtliche Fragen. Die Klärung von Haftungsfragen im Zusammenhang mit Regressforderungen bei Arbeitsunfällen, die im Rauschzustand verursacht wurden, ist zwar keine neue Herausforderung, könnte aber durch die Legalisierung von Cannabis an Bedeutung gewinnen.

    Grundsätzlich stellt die Unfallversicherung ein Haftungsprivileg zugunsten der Unternehmer und Unternehmerinnen sowie der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen dar. Diese Privilegierung kann nur unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden. So ist es zwar grundsätzlich Aufgabe der Vorgesetzten, zu entscheiden, ob ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin in der Lage ist, die Arbeit sicher auszuführen, und im Zweifelsfall einzugreifen, doch reicht die Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften allein nicht aus, um den Wegfall der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsprivilegierung zu begründen [19].

    Vielmehr muss die Handlung oder Unterlassung entweder vorsätzlich, d. h. der cannabisinduzierte Rauschzustand und die Gefährdungslage müssen erkennbar gewesen sein und die Weiterarbeit dennoch bewusst in Kauf genommen worden sein, oder grob fahrlässig, d.h. es muss ein objektiv schwerer und subjektiv unentschuldbarer Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt vorliegen [20].

    Ein Haftungsrisiko für den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin besteht also in den Fällen, in denen er oder sie hätte erkennen müssen, dass der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin aufgrund des Cannabiskonsums nicht in der Lage war, die ihm oder ihr übertragene Arbeit gefahrlos auszuführen. Führt die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der Fürsorgepflicht zu einem Arbeitsunfall eines Dritten oder des berauschten Beschäftigten, kann der zuständige Unfallversicherungsträger Regressansprüche geltend machen. Ob ein Regress wegen Verletzung der Aufsichtspflicht eröffnet ist, hängt also immer von den Umständen des Einzelfalles ab.

    Dem unter Cannabiseinfluss stehenden Verursacher oder der Verursacherin drohen zusätzliche Sanktionen: Nach § 209 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII handelt er oder sie ordnungswidrig, wenn er oder sie fahrlässig den Vorschriften des § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 zuwiderhandelt. Eine solche Ordnungswidrigkeit kann nach § 209 Abs. 3 SGB VII mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro geahndet werden.

    Literaturverzeichnis:

    [1] Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). (2023). Positionspapier. NULL Alkohol und NULL Cannabis

    [18] Gemäß ständiger Rechtsprechung und Kommentierung, u.a. Lauterbach UV-SGB VII/Schwerdtfeger, 74. EL März 2023, SGB VII § 8 Rn. 329.

    [19] Gemäß ständiger Rechtsprechung, u.a. BGH, Urteile vom 08.05. 1984 - VI ZR 296/82, VersR 1984, 775, 776; vom 21.10.1980 - VI ZR 265/79, VersR 1981, 75; vom 22.06.1971 - VI ZR 39/70, VersR 1971, 1019, 1020; und vom 08.10.1968 - VI ZR 164/67, VersR 1969, 39, 40.

    [20] BGH, Urt. v. 12.01.1988, Az: VI ZR 158/87, Rn. 9, zitiert nach juris; BGH, Urt. v. 30.01.2001, Az: VI ZR 49/00.

  • Dürfen Unternehmerinnen und Unternehmer ein Cannabisverbot am Arbeitsplatz einführen?

    Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen dürfen den Konsum von Cannabis und anderen Drogen während der Arbeitszeit untersagen. Unter bestimmten Umständen (z. B. im sicherheitsrelevanten Bereich wie beim Bedienen von Maschinen oder beim Führen von Fahrzeugen) dürfen sie auch das Erscheinen zur Arbeit unter Drogeneinfluss untersagen. In Bezug auf den Cannabiskonsum darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern den obliegenden Fürsorgeverpflichtungen nachkommen müssen (§ 618 BGB). Demnach müssen sie Schutz- und Sicherheitsvorkehrungen treffen, um Beschäftigte u. a. vor Unfällen zu schützen. Bei Tätigkeiten mit erhöhtem Gefährdungspotenzial ist ein Cannabisverbot daher gegebenenfalls sogar erforderlich.

    Der Konsum während der Arbeitszeit kann z. B. durch das Direktionsrecht nach § 106 S. 2 GewO durch (An-)Weisungen oder auch durch ein arbeitsvertragliches Verbot geregelt werden. Sofern ein Personalrat oder ein Betriebsrat vorhanden ist, hat dieser bzgl. des Konsums auf dem Betriebsgelände (z. B. vor dem Dienstantritt, während der Pausenzeiten oder bei Betriebsfesten) ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, da ein Verbot des Cannabiskonsums das Ordnungsverhalten im Betrieb betrifft. Betriebs- oder Dienstvereinbarungen können die vereinbarten Regelungen schriftlich festhalten. Der Konsum während der Arbeitszeit unterliegt hingegen nicht der Mitbestimmung des Betriebs- oder Personalrats, da hier das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten betroffen ist

    Verstoßen Beschäftigte gegen ein im Unternehmen geltendes Cannabisverbot, riskieren sie eine Abmahnung oder Kündigung.

    Hierbei ist nochmal darauf hinzuweisen, dass ein messbarer THC-Gehalt im Körper nicht zwangsläufig mit Ausfallerscheinungen und somit mit "Arbeiten unter Drogeneinfluss" gleichzusetzen ist (vgl. Frage 7). Dies stellt Unternehmer und Unternehmerinnen vor Herausforderungen, da diese individuell entscheiden müssen, ob und wann eine Arbeit unter Drogeneinfluss (im Sinne von Arbeiten unter Ausfallerscheinungen/drogenbedingter Beeinträchtigung der Arbeitsleistung) tatsächlich vorliegt.

    Hinweis

    Sofern der Konsum von Rauschmitteln in einer Art und Weise erfolgt, die keinerlei Auswirkungen auf die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung hat, kann der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin hierüber keine Regelungen treffen, da das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art 2 Abs.1, Art. 1 Abs.1 GG Arbeitnehmende schützt. D. h. ein allgemeiner Konsum von Cannabis in der Freizeit kann durch Arbeitgebende nicht untersagt werden.

    Steht ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin während der Arbeitszeit unter Cannabiseinfluss, kann dies allerdings auch ohne ein explizites betriebliches Cannabisverbot arbeitsrechtliche Maßnahmen rechtfertigen. Denn auch ohne ausdrückliches Cannabisverbot dürfen Beschäftigte nach § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 sich durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können.

    Dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch auch, wenn kein absolutes Cannabis- oder allgemeines Drogenverbot besteht, dass nicht jeder Konsum während sowie kurz vor der Arbeitszeit oder in den Pausen zwangsweise eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellt. Arbeitnehmende, die maßvoll Cannabis konsumieren, könnten unter bestimmten Voraussetzungen und Rahmenbedingungen noch in der Lage sein, die ihnen obliegenden Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Auch dieser Umstand verdeutlicht nochmals die potenzielle Konfliktsituation, in die Arbeitgebende im Kontext der Cannabislegalisierung kommen können, wenn klare Regelungen im Unternehmen fehlen.

    Um Konflikten vorzubeugen, klare Regeln im Betrieb in Bezug auf den Cannabis- und den allgemeinen Suchtmittelkonsum zu schaffen und mögliche Konsequenzen transparent zu machen, sollten Unternehmerinnen und Unternehmer auf Grundlage der Ergebnisse ihrer Gefährdungsbeurteilung den Cannabiskonsum bei der Arbeit z. B. durch organisatorische Maßnahmen, wie Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die schriftlich von der Geschäftsführung gemeinsam mit dem Betriebs- oder Personalrat aufgesetzt werden, beschränken oder verbieten. Solche Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sollten auch Maßnahmen und Konsequenzen erläutern, wie z.B. eine gezielte Weiterbildung von Führungskräften oder einen verbindlich anzuwendenden Stufenplan bei Verdacht von Suchtmittelmissbrauch.

    Klare Regelungen in Bezug auf den Umgang mit Suchtmitteln in einem Unternehmen sind bereits Teil der Präventionsarbeit. Denn sie machen den Beschäftigten deutlich, dass sich das Unternehmen mit dem Thema auseinandersetzt und Vorgesetzte angehalten sind konsequent zu reagieren.

  • Sind betriebliche Drogentests zulässig?

    Grundsätzlich sind betriebliche Drogentests möglich, dies jedoch nur unter Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Gegebenheiten (zu berücksichtigen ist z. B. die Mitbestimmungspflicht oder der Eingriff ins Persönlichkeitsrecht)

    Im Verdachtsfall kann ein Arbeitgeber oder eine Arbeitgeberin einen Cannabistest oder eine medizinische Untersuchung einfordern, um später die Rechtmäßigkeit möglicher arbeitsrechtlicher Maßnahmen nachzuweisen (vgl. Frage 13). Allerdings dürfen Drogentests ohne Einwilligung der Arbeitnehmenden nicht durchgeführt werden. Bei Einforderung eines Drogentests oder einer ärztlichen Untersuchung sollten dringend die Umstände (konkrete Verdachtsmomente) genauestens festgehalten werden, die zur Forderung einer Testung oder medizinischen Untersuchung geführt haben [21]. Sofern ein Betriebsrat vorhanden ist, hat dieser bei der Einforderung des Drogentests oder der ärztlichen Untersuchung ebenfalls ein Mitgebstimmungsrecht. Ein solcher Test kann sowohl zur Be- als auch zur Entlastung des oder der Beschäftigten beitragen. Weigert sich der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin, darf die betroffene Person wegen des verfassungsmäßig garantierten Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit allerdings weder zu einer medizinischen Untersuchung noch zur Mitwirkung an einem Drogentest gezwungen werden [21]. Sofern die betroffene Person erkennbar nicht in der Lage ist, ihre Tätigkeiten ohne Gefahr für sich oder andere auszuüben, muss der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin mittels seines bzw. ihres Weisungsrechts und der Fürsorgepflicht die weitere Tätigkeit untersagen, unabhängig davon, ob ein Drogentest vorliegt oder nicht.

    Bei besonderen gefährlichen Tätigkeiten können Arbeitsverträge oder Betriebs- sowie Dienstvereinbarungen regelmäßige verdachtsunabhängige Drogentests umfassen [22, 23]. Es sind Konstellationen möglich, in denen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten aufgrund der besonderen Gefahrenlage am Arbeitsplatz derart stark zurücktritt, während das Erfordernis der Sicherheit am Arbeitsplatz überwiegt, sodass solche routinemäßigen Testungen möglich werden [21, 23]. Die Verweigerung der Mitwirkung an den Tests ist in solchen Fällen eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. In jedem Fall ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

    Cannabistests und Arbeitsfähigkeit

    Cannabiskonsum lässt sich über Speichel, Urin, Blut und Haare nachweisen. Die Drogentests prüfen jeweils den THC-Wert oder den seiner Abbauprodukte. Ein regelmäßiger oder dauerhafter Konsum von THC sorgt für eine längere Nachweiszeit, da sich die Abbauprodukte von THC im Körper ablagern und Ansammlungen bilden.

    Problematisch ist, dass die derzeit verfügbaren Cannabistests derzeit keine belastbaren Werte liefern können, welche eine Aussage zur Arbeitsfähigkeit ermöglichen. Mit den heutigen Tests lassen sich Spuren über mehrere Tage oder gar Wochen nachweisen. Ein Test kann somit auch zu einem Zeitpunkt positiv ausfallen, an dem eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit nicht mehr gegeben ist. Cannabistests helfen folglich nicht zwingend bei der Feststellung, ob ein Beschäftigter oder eine Beschäftigte „unter dem Einfluss“ von Cannabis steht. Nach derzeitigem Stand fehlen verbindliche Kriterien und klare Grenzwerte, um die Auswirkungen des Cannabiskonsums auf die Arbeitssicherheit festzustellen [18].

    Zur rechtlichen Absicherung des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin bzw. der Führungskräfte sollte bei Verhaltensauffälligkeiten von Beschäftigten, wenn möglich, eine weitere Person hinzugezogen werden, die die Verhaltensauffälligkeiten bestätigen kann. Zudem sollten die Auffälligkeiten, die zu der Annahme geführt haben, dass eine Person unter Drogeneinfluss stand, dokumentiert werden.

    Literaturverzeichnis:

    [18] Gemäß ständiger Rechtsprechung und Kommentierung, u.a. Lauterbach UV-SGB VII/Schwerdtfeger, 74. EL März 2023, SGB VII § 8 Rn. 329.

    [21] Maehl, R. H. (2024). Das geplante Cannabisgesetz im Lichte des Arbeitsschutzes. Arbeitsschutz in Recht und Praxis, 2, 34–37.

    [22] ArbG Hamburg Urteil v. 01.09.2006 - 27 Ca 136/06.

    [23] Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). (2024). DGUV Information 250-010. Eignungsbeurteilungen in der betrieblichen Praxis.

  • Gibt es Grenzwerte für das Führen von Fahrzeugen?

    Für die Feststellung der Fahrtüchtigkeit schreibt das Straßenverkehrsgesetz einen zulässigen Grenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum fest. Wer diesen überschreitet und ein Fahrzeug führt, handelt ordnungswidrig und muss mit einem Bußgeld und einem Fahrverbot rechnen. Fahranfängerinnen und Fahranfängern in der Probezeit sowie jungen Fahrern und Fahrerinnen unter 21 Jahren ist THC am Steuer generell untersagt [24].

    (Anmerkung Stand Juli 2024: Die beschlossenen Gesetzesänderungen treten im Sommer 2024 nach der Verkündung in Kraft.)

    Literaturverzeichnis:

    [24] Bundesrat (2024). Sechstes Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften.

  • Wie gehen Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen mit Beschäftigen um, die offensichtlich unter dem Einfluss von Cannabis stehen?

    Oft können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gar nicht erkennen, ob und in welchem Umfang Beschäftigte Cannabis konsumiert haben. Sind die Beschäftigten allerdings verhaltensauffällig und weisen typische Symptome auf, die auf einen Cannabiskonsum hindeuten (vgl. Frage 3 und 4), müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber aktiv werden. Es besteht ein Beschäftigungsverbot, wenn eine Person nicht in der Lage ist, die ihm oder ihr zugewiesenen Tätigkeiten zu erbringen, ohne sich selbst oder andere zu gefährden. Um ein solches Beschäftigungsverbot auszusprechen, müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen [25]. Wenn möglich, sollte eine weitere Person hinzugezogen werden, um die Auffälligkeiten zu bestätigen. Zudem sollten diese dokumentiert werden.

    Ist der oder die Beschäftigte sichtlich nicht mehr in der Lage einen sicheren Heimweg anzutreten, ist es zudem empfehlenswert, wenn Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versuchen für einen sicheren Nachhauseweg zu sorgen, z. B., indem sie für die betroffene Person ein Taxi rufen oder Angehörige kontaktieren. Ist dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin bekannt, dass die Person mit einem eigenen Kraftfahrzeug bei der Arbeit ist, sollte die Person in jedem Fall aufgefordert werden, das eigene Fahrzeug nicht zu benutzen. Bei einer Verweigerung sollte die Polizei kontaktiert werden.

    Damit Führungskräfte möglichst sicher agieren und im Verdachtsfall schnell reagieren können, sollten sie im Umgang mit auffälligen Beschäftigten geschult oder sensibilisiert sein und wissen, wie sie Auffälligkeiten, die im Zusammenhang mit einem Suchtmittelkonsum stehen können, ansprechen.

    Bewährt haben sich zudem Betriebs- oder Dienstvereinbarungen (vgl. Frage 10). Sie geben vor, wie der Umgang mit auffälligen Beschäftigten geregelt ist. Ein darin beschriebenes, abgestuftes Vorgehen (Stufenplan) bildet die Grundlage für eine zielführende Intervention und bietet allen Beteiligten Handlungssicherheit für den konkreten Fall [26]. So haben Führungskräfte einen Leitfaden zur Hand, an dem sie sich orientieren können.

    Mögliches Vorgehen in der Praxis

    Werden Verhaltensauffälligkeiten (vgl. Frage 3 und 4) oder anderer Hinweise (z. B. typischer Cannabisgeruch) festgestellt, die auf einen Cannabiskonsum hindeuten könnten und die ein sicheres Arbeiten gefährden, sollte der oder die Beschäftigte auf die Beobachtungen angesprochen werden. Dem oder der Beschäftigten kann angeboten werden, einen Cannabistest durchzuführen, um die Vermutung zu widerlegen (am besten einen minimalinvasiven Test, wie z. B. einen Wischtest). Weigert sich der oder die Beschäftigte einen solchen Test im Betrieb durchzuführen, sollte ihm oder ihr angeboten werden den/die Hausarzt/-ärztin oder auch den/die Betriebsarzt/-ärztin aufzusuchen, um einen Nachweis zu bringen, dass er bzw. sie nicht unter Drogeneinfluss steht. Sofern die Person auch dies verweigert, kann das in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen als weiterer deutlicher Indikator für einen arbeitsrechtlichen Verstoß gesehen werden.

    Es ist besonders wichtig, verändertes Verhalten, Verfehlungen oder andere Auffälligkeiten, die auf einen missbräuchlichen Cannabiskonsum hinweisen können, konsequent anzusprechen. Ein möglicher Einstieg in ein Gespräch ist, die Beobachtungen und Fakten deutlich zu benennen und die Person nach der eigenen Einschätzung zu fragen [26, 27]. In einem vertraulichen Gespräch sollten zudem klare Erwartungen in Bezug auf das Arbeits- und Sozialverhalten, Absprachen für die Zukunft und Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Vereinbarungen kommuniziert werden. Auch kann sich ein solches Gespräch anbieten, um betroffenen Personen Unterstützungs- und Beratungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Prinzipiell sollte man solche Gespräche jedoch nicht führen, solange die Person erkennbar unter problematischem Substanzeinfluss steht und sich in keine Diskussionen verwickeln lassen.

    Hinweis

    Kolleginnen und Kollegen sind meist die ersten, die Auffälligkeiten wahrnehmen. Stellen Beschäftigte auffällige drogenkonsumbedingte Ausfallerscheinungen oder einen übermäßigen Konsum anderer Beschäftigter fest, sollten sie den Kollegen oder die Kollegin darauf ansprechen und dies auch unverzüglich dem Unternehmer, der Unternehmerin oder der zuständigen Führungskraft melden (§ 16 (2) DGUV Vorschrift 1). Im Rahmen der Unterweisung können Beschäftigte für ihre Mitwirkungspflicht sensibilisiert werden.

    Literaturverzeichnis:

    [25] Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). (2014). DGUV Regel 100-001. Grundsätze der Prävention.

    [26] Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). (2019). DGUV Information 206-009. Suchtprävention in der Arbeitswelt - Handlungsempfehlungen.

    [27] Hamacher, M. (2024). Gezielte Prävention gegen Cannabis am Arbeitsplatz. Arbeit und Gesundheit, 3, 6–7.

     

  • Was können Unternehmen im Sinne der Cannabisprävention tun?

    Die unter der Frage Nummer 10 angesprochene Betriebs- oder Dienstvereinbarung ist bereits Teil der Präventionsarbeit. Sie kann nicht nur dazu beitragen, den Suchtmittelkonsum und damit auch den Cannabiskonsum am Arbeitsplatz zu regulieren, sondern schafft auch Klarheit in Bezug auf den Umgang mit auffälligen Beschäftigten, indem organisationsspezifische Regeln, Handlungsanleitungen und Interventionsketten festgelegt werden. Zugleich zeigt sie, dass sich der Betrieb mit dem Thema Sucht und dessen Prävention auseinandersetzt, was auch zu einer Enttabuisierung des Themas im Betrieb beiträgt.

    Aber auch die Aufklärungsarbeit ist ein wichtiger Baustein der Cannabisprävention. Unternehmen sollten ihre Beschäftigten über mögliche Risiken und Folgen von Cannabiskonsum aufklären sowie für mögliche Gefährdungen bei der Arbeit, die aus einem Konsum resultieren können, sensibilisieren. Beispielsweise eignet sich die Unterweisung, um mögliche Gefährdungen für die Arbeit anzusprechen und auch darauf aufmerksam zu machen, dass Beschäftigte, bei denen ein Cannabiskonsum oder ein Rausch vermutet wird, nicht weiterarbeiten dürfen. Informationsveranstaltungen, Aufklärungskampagnen, Aktionstage oder Teambesprechungen können darüber hinaus weitere Maßnahmen sein, um die Sicherheits- und Gesundheitskompetenzen der Beschäftigten in Bezug auf den Umgang mit Cannabis zu stärken. Informationen über (regionale) Hilfs- und Beratungsangebote (vgl. Frage 15) können von Suchtmittelmissbrauch betroffene Beschäftigte unterstützen, sich an externe Beratungsstellen zu wenden.

    Führungskräfte aber auch andere Fachkräfte für Sicherheit und Gesundheit im Betrieb, wie Sicherheitsbeauftragte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder innerbetriebliche Ansprechperson für Suchtfragen, sollten mögliche Symptome kennen und wissen wie sie auffällige Kolleginnen und Kollegen ansprechen können. Hierfür können sich spezielle Schulungen eignen, in denen das Grundwissen zur Wirkung von Cannabis, Anzeichen eines Konsums und das Vorgehen nach einem Stufenplan vermittelt werden. Einige Unfallversicherungsträger bieten solche Schulungen an. Betriebe, deren Unfallversicherungsträger ein solches Qualifizierungsangebot selbst nicht bereithalten, haben in der Regel die Möglichkeit an einer Qualifizierung anderer Unfallversicherungsträger teilzunehmen.

    Ein weiterer wichtiger Baustein der Suchtprävention ist es, Arbeitsbedingungen wahrzunehmen, die zu Fehlbeanspruchungen bei den Beschäftigten führen können und diese zu verändern. Wenn die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten als unzumutbare Belastungen empfunden werden, kann Suchtmittelkonsum ein Bewältigungsversuch sein. Menschen entwickeln sehr unterschiedliche Strategien, mit Belastungen bei der Arbeit, wie z. B. mit Konflikten und einem negativen Betriebsklima, Unterforderung oder Überforderung, umzugehen. Daher ist es wichtig, bereits bei den Arbeitsbedingungen anzuknüpfen und dafür zu sorgen, dass die Arbeit so gestaltet ist, dass eine Gefährdung für die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst geringgehalten wird. Die gesetzlich vorgeschriebene Beurteilung der Arbeitsbedingungen (§ 5 ArbSchG) ist daher ein wichtiges Element einer wirkungsvollen Suchtprävention [26].

    Betriebliche Suchtprävention setzt auf…

    • die gesundheitsgerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen,
    • die Schaffung von klaren Regeln und Rahmenbedingungen, die dem Suchtmittelkonsum im Arbeitskontext vorbeugen,
    • die Stärkung persönlicher Fähigkeiten der Beschäftigten im Umgang mit Belastungen und Suchtmitteln,
    • die Früherkennung riskanten Verhaltens und Rückfallprophylaxe sowie
    • die Enttabuisierung des Themas.

    Die Cannabislegalisierung ist eine gute Gelegenheit, die eigenen betrieblichen Präventionsmaßnahmen zum Suchtmittelkonsum unter die Lupe zu nehmen und bei Bedarf anzupassen. Die Einbindung von Betriebsärzten bzw. Betriebsärztinnen, Betriebs- oder Personalräten, Fachkräften für Arbeitssicherheit oder Suchtbeauftragten aber auch von externen Expertinnen und Experten, wie beispielweisen Beratenden der Sozialversicherungsträger, kann wertvolle Impulse für die eigene Präventionsarbeit bieten.

    Literaturverzeichnis:

    [26] Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). (2019). DGUV Information 206-009. Suchtprävention in der Arbeitswelt - Handlungsempfehlungen.

  • Wo sind Beratungsangebote zu finden?

    Die Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand (Unfallkassen) beraten Unternehmen zum Thema betriebliche Suchtprävention. Unternehmen können sich hierfür an ihren zuständigen Unfallversicherungsträger oder direkt an ihre zuständige Aufsichtsperson wenden, die ggf. an die für diese Thematik spezialisierten Präventionsfachkräfte verweist.

    Auch die gesetzliche Krankenversicherung unterstützt Unternehmen nach § 20b SGB V bei der verhältnis- und verhaltensbezogenen Suchtprävention im Betrieb [28]. Besteht in den Unternehmen noch kein Kontakt zu einer Krankenkasse, können sich Unternehmen an die BGF-Koordinierungsstellen wenden.

    Bei Bedarf kann an externe Beratungsstellen verwiesen werden. Zahlreiche Beratungsstellen bieten wohnortnahe professionelle Unterstützung für Betroffene und auch Angehörige. Eine Übersicht bietet die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS).

    Eine kostenfreie (und bei Bedarf auch anonyme) Onlineberatung für Betroffene und Angehörige bietet die Plattform DigiSucht. Diese Plattform informiert zudem über weiterführende Hilfeangebote vor Ort. Aktuell wird die Onlineberatung von Suchtberatungsstellen in 13 Bundesländern angeboten.

    Der Fachverband Sucht e.V. ist ein bundesweit tätiger Verband, in dem Einrichtungen zusammengeschlossen sind, die sich der Behandlung, Versorgung und Beratung von Suchtkranken widmen. Der Verband liefert u. a. Basisinformationen zum Thema Sucht, vermittelt Behandlungseinrichtungen und bietet einschlägige Weiterbildungen.

    Bundesweit wurde eine einheitliche Plattform errichtet: www.infos-cannabis.de. Diese bündelt Informationen zu dem Gesetz und den vorhandenen Angeboten für Suchtprävention, Suchtberatung, Suchtbehandlung, zu Wirkung, Risiken und "safer-use"-Hinweisen.

  • Handlungsspielraum für Beschäftigte
    • Informationen einholen – Aufklärung über Risiken
    • Einhaltung der Unfallverhütungsvorschrift
    • Achtung und Einhaltung der betrieblichen Regelungen
    • Bei Bedarf Beratungsstellen in Anspruch nehmen